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Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition)

Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition)

Titel: Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition)
Autoren: Walter Kempowski
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hatte einen Durchschlag im wichtigsten Luftschutzgepäck. Auch hatte ich mich – vielleicht in schlimmer Vorahnung – noch am Tag zuvor aufgerafft, unsere Rucksäck ordentlich gepackt, außen mit Bändern versehen, sodaß wir unsere Daunendecken, in die Regenmäntel gerollt, darum herumschnallen konnten. Jeden Abend brachte ich auch die Koffer mit den Kleidern in den Keller.
     
    Dresden Der Oberzahlmeister Gerhard Erich Bähr 1 894–1975
    Wir saßen nach dem Abendbrot in unserem schönen Speisezimmer und hörten im Radio ein Mozart-Konzert. Dann zog sich Hildegard um, weil sie noch aufwaschen mußte. Dazu zieht man sein ältestes Zeug an. Das war dann auch das einzige, was gerettet wurde.
     
    Dresden Victor Klemperer 1881–1960
    Gegen neunzehn Uhr . Die Frau Kästner wohnte im Keller des Hofseitenflügels, man sieht hinter dem Hof eine merkwürdige kleine, alte Kirche. Ein sehr junges dunkles Mädchen öffnete mir, sie las das Schreiben ganz resigniert. Ja, ihr sei schon alles gleichgiltig, nur unterschreiben wollte sie nicht, ehe die Muttel das gelesen hätte. Ob ich nicht wiederkommen wollte. Ich sagte, das sei mir unmöglich, ich mußte sie dann eine ganze Weile zur Quittungsleistung drängen.
    Bei Neumark war das ganze Büro mit Deportanden besetzt, ich reichte Paul Lang, Rieger, Lewinsky die Hand – »Sie kommen auch mit? Nein?«, da war schon eine Kluft zwischen uns. Ich ging einen Augenblick zu Eisenmanns hinauf, die ganze Familie versammelte sich – schwerst verstört. Ich ging zu Waldmann, der hierbleibt. Er entwickelte mit sehr großer Bestimmtheit die düsterste Annahme. Weswegen nimmt man die jüdischen Kinder mit? Lisl Eisenmann ist doch kein Arbeitseinsatz. Weswegen muß Ulla Jacobi allein mit – ihr Vater gilt als Friedhofsverwalter noch für unabkömmlich. Da stecken Mordabsichten dahinter. Und wir Zurückbleibenden, »wir haben nichts als eine Galgenfrist von etwa acht Tagen. Dann holt man unsfrüh um sechs aus den Betten. Und es geht uns genauso wie den andern«.
    Ich warf ein: Warum man einen so kleinen Rest hierlasse? Und das jetzt, wo man zeitbedrängt sei?
    Er: »Sie werden sehen, ich behalte recht.«
     
    Dresden Der Kfz-Schlosser Rolf Becker *1929
    Am zeitigen Abend des Fastnachtdienstages 1945 kam ich von Arbeit. Mit meinem Schäferhund Lux drehte ich noch die allabendliche Runde durch die Lindenaustraße zum Bismarckplatz und dann durch die Strehlener Straße wieder nach Hause. Von Fastnacht war nicht viel zu spüren, nur ein paar Kinder tollten noch durch die Finsternis. Nach dem Abendessen ging ich beizeiten zu Bett, denn die langen Arbeitszeiten durch den »totalen Krieg« zehrten ganz kräftig an meinen jugendlichen Reserven.
     
    Breslau Der Postbeamte Wilhelm Bodenstedt 1894–1961
    Habe heute reichlich gekocht und gebraten, 1 Pfd. Schweinebraten, 1/2 Pfd. grüner Speck und Knochen, da mache ich morgen, wenn ich noch in der Wohnung sein sollte, Nudeln. Das ganze Haus zittert und bebt, denn an der Schenkendorffstraße stehen nun Langrohrgeschütze und die bullern immerzu. Die Gärten sind voll von ziehendem Pulverdampf. Die Nacht wird man wohl nicht schlafen können von der Kracherei. Es ist jetzt 19 Uhr. Gute Nacht mein Herzensweiberle, Du wirst dort noch Ruhe haben zum Schlafen. Ich küsse Dich heiß und innig.
     
    Breslau Der Schüler Horst G.W. Gleiss
    Am Rest des Vormittags hackte ich, wie fast jeden Vormittag in letzter Zeit, Holz und zersägte lange Stämme die beim Barrikadenbau abfielen, um die kärglichen Reste unserer Kohlenvorräte zu strecken. Mittags holte ich Mutti von der Straßenbahn ab, denn sie brachte zwei große Wäschekörbe mit Gebrauchsgegenständen des Haushalts und Wäsche. Als Wehrmachtsangestellte erhielt sie bei der Verteilung der Wehrmachtslager Breslaus vor ihrer Vernichtung noch eine ansehnliche Menge bisheriger Mangelware, wie z.B. unter anderem: Brotmaschine, Thermosflasche, Plätteisen, Kartoffelreibemaschine, Filz- und Turnschuhe, Bestecks, Unterhemden und -hosen und manches Andere.
     
    Grottkau/Schlesien Der Soldat Klaus-Andreas Moering 1915–1945
    An seine Frau Elle
    Mein lieber Engel!
    Heute auf einem scheußlichen Schloß – der Besitzer ist weg, nur eine Baronin Holtei ist noch da. Wir wollten ein Bad nehmen in einem der 20 Badezimmer, aber wieder Stellungswechsel – zu allem Überfluß rummelt Iwan wieder ganz gehörig, etwas weiter nordwestl. von uns. Ich bin recht gefaßt und beinahe heiter geworden. Auch Goethes Gedichte trugen
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