Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition)

Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition)

Titel: Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition)
Autoren: Walter Kempowski
Vom Netzwerk:
Keller auf. »Wir sind ja sicher, Dresden wird nicht angegriffen.«
    Warum? Niemand wußte eine genaue Erklärung. Es gab die unterschiedlichsten Meinungen: »Die Tante von Churchill wohnt auf dem Weißen Hirsch.« Andere meinten, »viele Ausländerinnen, besonders Engländerinnen, haben in Dresden die verschiedenen Mädchenpensionate besucht. Sie lieben alle diese Stadt, in der sie ein paar Jahre ihrer Jugend verbracht haben«. Wieder andere: »Dresden ist die schönste Barockstadt Deutschlands, sie wird geschont werden.«
    Kein Bunker wurde für die Bevölkerung gebaut, keine Luftabwehr war vorhanden. Nur der Gauleiter Mutschmann besaß einen eigenen Bunker.
    Wir, das heißt meine Mutter, mein Vater und ich mit meinem viereinhalbjährigen Sohn, bewohnten eine Villa in einem Vorort von Dresden, dicht bei dem »Großen Garten« gelegen. Von meinem Mann, einem Berufsoffizier, hatte ich seit langer Zeit keine Nachricht. Ich wußte nur, daß er zum Schluß im Stab der Heeresgruppe B, Generalfeldmarschall Model, als General des Transportwesens gedient hatte.
    Nach langem Hin und Her beschlossen wir, nach Thüringen in das Haus meiner Großeltern zu fahren. Dies alles wurde am Frühstückstisch besprochen.
    Eine andere Überlegung kam hinzu.
    Am Abend zuvor hatte ich wie fast immer, den schwedischen Sender eingestellt. Ich hörte »Frauen und Kinder aus Dresden raus«, dann traten Störungen ein. Ausländische Sender abzuhören war verboten, man mußte sehr vorsichtig sein.
    Außerdem sagte mein Vater, bevor er zu seiner Zahnarzt-Praxis fuhr, daß Apolda etwa 230 Kilometer westlich von Dresden liege, und sicher die Amerikaner dort in Thüringen einmarschieren würden.
    Kurze Zeit später nahm ich die Straßenbahn der Linie 9 vom Wasaplatz, stieg am Horst-Wessel-Platz um und fuhr zum Hauptbahnhof, um dort die Fahrkarten zu kaufen. Aber was war hier passiert?
    Nur mühsam konnte ich mir einen Weg durch die dicht gedrängte Menge vor dem Bahnhof bahnen. Im Bahnhof selbst lagen Flüchtlinge Schulter an Schulter auf dem Fußboden. In Decken gehüllt oder mit Mänteln zugedeckt. Säuglinge und Kleinkinder schrien. Die Mütter waren verzweifelt, viele weinten, einige schliefen mit angezogenen Knien auf der Seite liegend. Ein Bild des Elends! Es waren Flüchtlinge aus Schlesien. Viele Familien waren getrennt worden. Einige Mütter riefen laut den Namen ihrer Kinder in der Hoffnung, sie hier in den Menschenmassen auf dem Dresdner Hauptbahnhof wiederzufinden. Sie hatten Schreckliches erlebt.
    Mühsam versuchte ich, mir einen Weg zwischen Menschenleibern zu bahnen, um zu den Schaltern zu gelangen. Unmöglich. Ich stolperte und fiel. Lautes Schreien der verängstigten Menschen. Vorsichtig bahnte ich mir einen Weg zurück, dem Ausgang zu.
    Mein Vater kam zeitig zurück. Er hatte soviel Geld wie möglich von der Bank abgehoben. Die Stadt ist mit Flüchtlingen vollgestopft, sämtliche Krankenhäuser und Lazarette sind überfüllt; arme, abgerissene Gestalten gehen von Tür zu Tür und bitten um Einlaß. »Ich kann verstehen«, meinte er, »daß es Dir nicht möglich war, Fahrkarten zu bekommen.«
    Wir beschlossen, am nächsten Tag mit unserem Wagen aus Dresden rauszufahren, Richtung Thüringen. Der Wagen war jahrelang nicht gefahren worden. Der Tank war aber voll Benzin. Eine Strecke weit würden wir schon kommen. Merkwürdig, wie schwer es war, die Koffer zu packen.
    So viele Sachen, die wir mitnehmen wollten, waren unnötig. Hauptsächlich brauchten wir Decken, warme Kleidung zum Wechseln, festes Schuhwerk und viele Lebensmittel. Außerdem packten wir noch einige Wertgegenstände ein und nähten den Schmuck in die Kleidungsstücke, die wir trugen.
    Dem kleinen Jürgen schien das alles kolossalen Spaß zu machen. Er schleppte die Koffer ran, suchte unter seinen Spielzeugen aus, was er mitnehmen wollte. Seinen kleinen Hasen gab er nicht aus Hand. Den durfte er auf keinen Fall vergessen.
     
    Bern Die Schweizer Radio-Zeitung
    Deutschland
    Gemeinschaftsprogramm
    5.30 Nachrichten
    5.40 Frühkonzert, dazwischen 7.00 Nachrichten 7.10 Zwischenspiel
    7.15 Eine chemische Betrachtung zum Hören und Behalten7.45 Musik am Morgen 9.00 Nachrichten
    9.05 Unterhaltungsmusik 10.00 Musik am Vormittag 11.00 Bunte Klänge
    12.00 Landfunk
    12.10 Musik zur Werkpause, dazwischen 12.20 Nachrichten und Lagebericht
    14.00 Nachrichten und Wehrmachtsbericht
    14. 15 Allerlei von zwei bis drei mit Herbert Jäger 15.00 Nachmittagskonzert des Münchner
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher