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Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition)

Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition)

Titel: Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition)
Autoren: Walter Kempowski
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dazu bei. Es gehört freilich ein Lebensgefühl dazu, in dem jetzigen Geschehen ein Wirksames zu sehen. »Es gehen Menschen auf – und nieder« heißt die große Stelle bei Hölderlin, wie Saat, wie Wogen. Ich habe mir die Toten recht genau angesehen, wie sie rücklings mitdem Gesicht in die Erde, daliegen, nicht wie liegende Menschen, sondern wie umgefallene Puppen, ohne Schwerkraft, klein und wächsern, abgemäht. – Gestern träumte ich wieder von Dir; ich war gekommen – seltsam, Du warst noch in Muskau; es war spät Nacht, und um 1/28 mußte ich wieder zurück sein. Ich zog mich aus, Du nahmst mich ins Bett; ungewaschen, dachte ich, und die Läuse, doch ich sagte nichts, um nicht zu stören. Erst nach glücklichem Frieden fiel mir ganz spät ein, weshalb ich eigentlich gekommen war und wie brenzlig die Lage. Ob Du meine Briefe alle bekommen habest, doch da sah ich schon meine blaugrünen Umschläge stehen. Ja, sagtest Du. Ich wollte vom Wegziehen reden, aber ich weiß nur noch zersplitterte Bilder, mein Vater, der plötzlich auch da war; er schlief in einem Bett neben unserem, in seinem grauen Straßenanzug; man müsse ihn wenigstens zudecken – dann war es aus mit dem Traum – aber noch im Wachen war das Glück, bei Dir gewesen zu sein, mächtig, beruhigend.
    Wir sind noch bei Grottkau. Das eine Auge des Gutsbesitzers war geschlossen, ein schmaler blutunterlaufener Streifen, die ganze Wange rot – das andere Auge stand offen, und, obwohl es mich sehr klein dünkte, hatte es durch sein helles, stumpfes Blau, in dessen Mitte ein schwarzer Kern saß, etwas sehr Weites. Das Haar war graublond auf der weißen Stirn, alles wie künstlich. »Denn alles muß in Nichts zerfallen – wenn es im Sein beharren will« steht in einem Gedicht bei Goethe.
    Ich hatte in der Nacht Wache auf dem Turm. Die Sterne tauchten auf in den losen Maschen des verhängtenHimmels, der Wind war stark – groß ist so ein Wesen, das über die Erde zieht, gleichgültig, was sich da unten abspielt.
    Elle, jede Faser hängt an Dir. Küß die Kinder, und dränge Dich durch in dieser Zeit mit allen Deinen Kräften, Du Liebe, Große, Starke. Ich vertraue Dir. Mein! Dein Kl.
     
    im Westen Der Soldat Hans-Henning Teich 1923–1945
    An seine Freundin Anna
    Mein Liebes!
    Nun fährt das gute Hänschen von der Vermittlung morgen nach R. Da muß ich ihn doch schnell als »postillon d’amour« engagieren!
    Ich hoffe, Du wirst meinen Brief auch ohne Benny-Stempel als echt erkennen. Ich nahm ihn wohl mit, habe aber hier kein rotes Stempelkissen. Hast Du irgendwie gehört, ob man mir dies verübelt hat? Schreib’ es mir ruhig.
    Ich habe mich hier schnell und froh eingelebt, zumal ich mehrere alte Kameraden traf. Ich möchte jetzt nicht mehr tauschen mit meinem alten Posten. Es geht nichts über die frische, freie Luft hier, über die Gedankenfreiheit! Hätte ich sonst die Kätzchen gefunden, könnte ich sonst Abend für Abend die wunderschönen Sonnenuntergänge beobachten? Hier weht ein rauherer, aber herzlicherer Wind!
    Heut’ Abend habe ich nun wirklich Deine Weidenkätzchen gezeichnet. Allerliebst schaut es aus! Wann ich es Dir wohl zeigen kann?
    Von Zuhause hörte ich lange, lange nichts, weiß auchnoch nicht, ob sich meine Mutter schon für Dich verwenden konnte. Hab’ Geduld, Annele!
    Ein ganzer Stoß Bücher liegt neben mir. Bis tief in die Nacht werde ich lesen und auch ein wenig Kunstgeschichte lernen. Die meisten Gedanken sind bei meinem Beruf!
    Verzeihst Du es?
    Du weißt doch, wie ich zu Dir stehe!
    Dein Henning.
     
    Das Rundfunkprogramm
    Reichsprogramm:
    20.15-21.00: Balladen und Lieder von Loewe
    21.00-22.00: Konzert, Werke von Mozart, Franck, Spohr
    Deutschlandsender:
    20.15-21.00: »Der Prinz von Homburg« von Kleist
    21.00-22.00: Musik für Dich
     
    Bern Die Schweizer Radio-Zeitung
    England I
    19.00 Konzert des B.B.C. Northern Orchstra: Brahms, Tragische Ouvertüre, Sibelius, Sinfonie No. 3
    19.30 Plauderei von Sir Harold Spencer Jones, dem königl. Astronomen
    19.45 »Make a Date«
    20.15 »The Brain’s-Trust« (Der Gehirn-Trust) Fragen und Antworten
    20.40 Orgelmusik
    21.00 Westminsterschlag, Nachrichten (englisch)21.25 »Tonight’s Talk«
    21.30 Dienstags-Serenade
    22.15 Religiöser Vortrag
    22.40 Joseph Jongens: Streichquartett op. 23
    23.40 Klaviervorträge
    24.00 Zeitzeichen. Nachrichten (englisch)
    0.20 Nachrichten in norwegischer Sprache
    0.30 Ende
     
    Berlin Joseph Goebbels 1897–1945
    Hin und wieder sind Stimmen aus
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