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Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition)

Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition)

Titel: Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition)
Autoren: Walter Kempowski
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Unweit von uns sangen und tanzten russische Hilfstruppen. Auf ihren Zupfinstrumenten begleiteten sie die Sänger und Tänzer. Gefangene waren das bestimmt nicht. Ihr freies Bewegen und ihre Ausrüstung lassen auf eine russische Hilfstruppe schließen. Wir spendeten ihnen sogar Beifall. Doch das Spiel nahm ein jähes Ende.
    Plötzlich erloschen die Lichter auf dem Bahngelände, die zuvor schon abgedunkelt waren. Am Himmel hörte man seltsames Brummen. Jetzt erst ertönten die Luftschutzsirenen, ohne Vorwarnung? Ein Luftschutzwärter rief uns zu: Wir sollen ihm schnellstens folgen. Er kannte in der Nähe einen guten Luftschutzkeller. Fluchtartig verließen wir den Bahnhof und folgten ihm. Leider bemerkten nur wenige von uns den Aufruf. Ich war gespannt wo der uns hinführt. Anstatt von der Stadt, führte uns der gute Mann in die Stadt. Schon zeigten sich die ersten Christbäume am Himmel, die Richtungsweiser für die Bomber.
     
    Dresden/Schweizerviertel Ernst Heinrich Prinz von Sachsen 1 896–1971
    Ich wollte gerade aufbrechen, um in dieser unruhigen Zeit nicht zu spät nach Hause zu kommen, als plötzlich das schauerliche Konzert der Warnsirenen begann. An ein Nachhausefahren war unter diesen Umständen nicht mehr zu denken. Die Sirenen ebbten ab, es herrschte völlige Ruhe und vom Balkon der Wohnung aus war nichts zu sehen und zu hören. Dann aber kam aus der Ferne ein dunkles Grollen, das immer mehr anschwoll. Es waren ohne Zweifel starke Bomberverbände im Anflug auf Dresden. Man hörte einzelnes Abwehrfeuer, und das Brummen der Bomber wurde so stark, daß kein Zweifel blieb, was der unglücklichen Stadt bevorstand.
     
    Dresden Otto Griebel 1895–1972
    Trotz aller Geselligkeit trieb es mich, in der zehnten Stunde aufzubrechen. Zwar schlug die Wirtin vor, nach der festgesetzten Polizeistunde hinter geschlossenen Fenstern und Türen noch ein wenig weiterzufeiern, aber ich mochte nicht und stand bereits angekleidet und mit dem Geld in der Hand an der Theke, als plötzlich das Heulen der Alarmsirenen ertönte.
    Ein Schreck fuhr mir in die Glieder. Auch eine anwesende Bekannte, die ihre Kinder allein daheim auf der Chemnitzer Straße gelassen hatte, erbleichte.
    Rasch stellten wir das Radio ein und hörten, daß sich feindliche Kampfgeschwader im Anflug auf die Stadt befänden, die einen Angriff erwarten müsse. Man hatte das zu oft schon vernommen, und erst auf mein Drängen hin wurde der Keller aufgesucht. Auch die übrigenHausbewohner kamen nur zögernd herab, doch da dröhnten schon die Motorengeräusche über uns.
     
    Dresden Eine Schülerin
    Die Sirenen heulten in die klare, dunkle Winternacht langanhaltend und getragen die Warnung für Vollalarm. Wir Kinder dachten an keine Gefahr, aber plötzlich stand schon meine Mutter am Bett meiner jüngeren Schwester: »Schnell, geh aus dem Bett raus, damit Papi nicht sieht, daß du schon wieder in Christas Bett bist. Hört doch mal, die Flieger brummen schon, zieht Euch schnell an, wir müssen sofort in den Keller!« – Ich nahm das alles fast teilnahmslos hin – denn warum sollte man auch an Gefahr denken. Nächtlicher Alarm hatte für uns nie etwas Schlimmes bedeutet, nie waren nachts bei uns Bomben gefallen, nur einmal um die Mittagszeit im vorigen Herbst, aber das war schon längst wieder vergessen. Ich zog meine neuen Pantoffeln an, keinen Rock, nur einen alten Mantel, die Trainingshosen, eine alte weisse Bluse, Handschuhe und die Mütze. Dann gingen wir schon in den Keller, – es war 1/2 10 h abends. Meine Eltern hatten an diesem Tag, es war der Faschingsdienstag, mit meiner Tante und meinem Onkel noch ausgelagerte Sachen von der Lausitz nach Dresden hereingeholt, weil die Russen unmittelbar vor der sächsischen Grenze standen; sie hatten dann noch abends zusammengesessen und im Radio gehört, daß »schwere Bomberverbände unmittelbar vor Dresden seien«. Wir saßen mit allen Hauseinwohnern schon im Keller, mein Vater war noch mal kurz in den Garten hinausgegangen und berichtete uns danach, daß er am Himmel nur Christbäume gesehen hatte.
     
    Dresden Der Leutnant Dieter Wiechmann *1922
    Am Fasnacht-Dienstag ertönten wieder einmal am Abend die Sirenen und wir zogen uns – wie jedesmal – vollständig an, um in den Keller zu gehen, immer in der Meinung, wieder einen der üblichen Alarme zu haben. Auf dem Weg dorthin schauten wir kurz auf der Terrasse im Treppenhaus in den Nachthimmel und sahen über uns und über der Stadt massenweise »Christbäume«.
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