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Der rostende Ruhm

Der rostende Ruhm

Titel: Der rostende Ruhm
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Möwen an – Gabriele war still, ganz in sich gekehrt. Sie dachte nicht an gestern oder an morgen, sie dachte nur: Hoffentlich war alles richtig und gut. Und hoffentlich bekomme ich kein Heimweh – nach Wien, nach Grinzing, nach … Sie biß sich auf die Lippen. Heimweh trotz Martin Bergh … Daß man erst weiß, was Heimat bedeutet, wenn man sie nicht mehr hat …
    Bergh war vielleicht der einzige, der glücklich war. Er sah sich um – an der Reling der dritten Klasse stand groß und hager, in einem weißen Anzug, Herbert Wortischek. Er winkte zu Bergh mit beiden Armen hinüber. Bergh hob die Hand.
    Langsam wurde das große Schiff aus dem Hafen gezogen. Das Panorama der Stadt weitete sich. Schnelle Lotsenboote wimmelten um den weißen riesigen Schiffsleib herum wie Hornissen. Ein junger Offizier in einer weißen Uniform kam auf Bergh zu. Er hatte einen riesigen Strauß dunkelroter Rosen auf dem Arm.
    »Signore professore?« fragte er.
    Bergh nickte erstaunt. »Ja.«
    »Diesen Strauß soll ich Ihnen übergeben. Er wurde telefonisch bestellt. Anonym – aus Wien …«
    »Danke.«
    Bergh nahm den riesigen Rosenstrauß. Gabriele senkte den Blick. Auch sie wußte, woher dieser letzte Gruß kam, dieser glutrote Aufschrei eines Herzens.
    Das Schiff hatte das freie Wasser erreicht, die Maschinen gingen auf volle Kraft, ein leichtes Zittern durchbebte den Leib des Schiffes.
    Da beugte sich Bergh weit über die Reling und warf den großen Rosenstrauß hinunter ins Meer. Der Sog des Wassers ließ ihn zurücktreiben zum Hafen – zur Küste Europas, die langsam kleiner und dünner wurde.
    Gabriele legte den Arm um Berghs Schulter. Sie sah den treibenden roten Rosen nach.
    »Warum hast du das getan, Martin?« fragte sie leise.
    »Es soll nichts mehr geben, was mich an die Vergangenheit bindet«, sagte er heiser. »Nicht einmal Blumen …«
    »So groß ist dein Haß?«
    »Haß? Nein! Ich kenne keinen Haß. Ich will nur ein neues Leben beginnen. Und es soll ganz neu sein – frei von allen Schlacken …«
    Er drückte Gabriele an sich, legte die Hand unter ihr Kinn und drehte ihren Kopf von den Blumen weg zum Sonnendeck des Schiffes.
    »Komm«, sagte er fest, bewußt zum Banalsten greifend, »gehen wir etwas trinken. Ich habe solchen Durst …«
    Untergefaßt gingen sie zum Eisbüfett des Sonnendecks. In einer Ecke der Kajütenaufbauten lag Afra und schlief. In der Ferne lag Europa. Ein dünner, weißer Streifen nur, wie mit dem Lineal gezogen.
    Und aus dem grünblau schillernden Wasser schnellten die ersten blitzenden Leiber der Delphine.
    »Wie schön«, sagte eine dicke Dame neben Bergh und fotografierte die Delphine. »Man sollte öfter mit einem Schiff fahren …«
    Bergh sah zurück zum Horizont.
    Europa war nicht mehr zu sehen.
    Und zwischen Himmel und wogendem Meer empfand er plötzlich eine Leere, die er vordem nie gefühlt hatte.
    Er ging zurück zur Reling und starrte in die Ferne dorthin, wo die Küste versunken war.
    Gabriele ließ ihn allein. Sie wußte, daß er jetzt allein sein mußte. Der Seewind flatterte durch seine weißen Haare. Er zuckte zusammen, als jemand seine Beine berührte. Afra stand neben ihm, drückte sich an ihn und rieb den Kopf an seinem Bein.
    »Recht hast du«, sagte er leise. »Knochen gibt's überall.«
    Dann mußte er lachen.
    Aber die Leere blieb …
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