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Der rostende Ruhm

Der rostende Ruhm

Titel: Der rostende Ruhm
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wollte man es nicht immer, weil es zu stark an die eigene falsche Stellungnahme erinnerte. »Die Verantwortlichen drücken sich! Der eine latscht durch die Steppe, der andere wälzt sich im Bett – und Bergh geht nach Kanada! Und wir lassen es seelenruhig zu, daß ein solcher Chirurg, daß ein Genie auswandert, weil die Heimat ihn wie einen Landstreicher behandelt hat! Es ist eine Schande, die überhaupt nicht absehbar ist! Eine Schande, die auf uns alle fällt.«
    »Wir sind Opfer menschlicher Schwächen geworden«, sagte Teschendorff vermittelnd.
    »Menschliche Idiotie, wollten Sie sagen?!« stieß Barnowski grob hervor. Er galt als der Prolet unter den Kuratoriumsmitgliedern. Für Boltenstern war er ein Brechmittel gewesen. Er nahm sich merkwürdig aus in diesem Kreis distinguierter reicher Männer, die mit dem Erwerb oder der Erwerbung des Geldes auch das Können aufgenommen hatten, Gefühle in Wachstuch zu packen, an dem außen alles abtropfte. So war der Sarghändler und Großschreiner Barnowski der einzige, der sagte, was er dachte, ehrlich, frei, rücksichtslos und mit Worten, die allgemein verständlich waren.
    »Was wollen wir unternehmen?« rief er erregt. »Was können wir unternehmen?«
    »Nichts!« antwortete Dr. Czernik.
    »Das ist Ihre einzige Weisheit? Warum hat der Staat nicht eher eingegriffen?«
    »Wir sind nur verantwortlich für den gesundheitstechnischen Dienst. Wir haben eine Überwachungsaufgabe, aber keine Exekutive.« Dr. Czernik tupfte sich den Schweiß von der Stirn. Er war blaß. Die Ausreise Berghs hatte auch im Bundeskanzleramt und sogar beim Bundespräsidenten erregte und unangenehme Diskussionen ausgelöst. Aber auch hier wußte man nicht, was noch zu tun war, um Bergh für Wien zu erhalten. Er hatte unterschrieben – die Türen zum Zurück waren zugeschlagen.
    »Dann habe ich hier nichts mehr zu suchen.« Barnowski packte mit zitternden Händen seine Aktentasche unter den Arm. »Ich habe fast sieben Jahre lang darum gekämpft, daß ein Krankenhaus für die Kranken da ist und nicht als eine Einnahmequelle! Ich habe immer dafür gesprochen, daß Überschüsse zur Fortentwicklung angewandt werden und nicht zum Neubau eines Verwaltungsgebäudes oder zur Dividendenausschüttung! Ich habe – ach was!« Er winkte ab. Sein dickes Gesicht war rot vor Zorn. »Für wen und vor wem rede ich das denn? Es hat sich nichts geändert – und es wird sich nichts ändern! Hier nicht – und nirgendwo! Auch der Weggang Berghs wird keine Lehre sein. Er ist im Augenblick ein Schock – aber mit Ihrer erworbenen Lederseele wird er schnell überwunden sein, meine Herren! Und übermorgen wird man in der ganzen Welt vergessen haben, daß es so etwas wie den ›Fall Bergh‹ überhaupt gegeben hat. Nur die Kranken werden es einmal merken, wenn sie in Sälen von dreißig Betten liegen und aus Kübeln ihr Essen bekommen. Aber auch sie vergessen es wieder, wenn sie zwei Tage aus dem Krankenhaus heraus sind. So ist nun einmal der Mensch – und keiner schämt sich, daß er so ist! Die Saurier sind an ihrer Größe zugrunde gegangen – die Menschen werden einmal zugrunde gehen an ihrer Gleichgültigkeit!«
    Er ging aus dem Sitzungssaal und schlug hinter sich die Tür zu. Teschendorff blickte über die betreten schweigende Runde des Kuratoriums und Dr. Czernik.
    »Ich glaube, wir haben keine Fragen mehr. Von Lösungen zu sprechen, wäre müßig. Ich schließe hiermit die Sitzung. Wann wir wieder zusammenkommen …« Teschendorff sah in die blassen, teils wieder arroganten Gesichter. »Sie werden von mir hören!« sagte er laut und grob.
    Und auch er verließ grußlos den Raum.
    Noch ein letztesmal versuchte man, Professor Bergh zum Bleiben zu bewegen. Dr. Czernik überbrachte ihm im Auftrag der österreichischen Regierung den Vorschlag, als Chef eine neue Klinik zu übernehmen, die man nach den modernsten medizinischen Erkenntnissen bauen wollte. Eine Klinik, die den Rang einer medizinischen Akademie erhalten sollte. Auch die Bitte, Bergh einmal als Rektor der Wiener Universität zu sehen, war am Rande ausgesprochen.
    Bergh legte das Schreiben langsam auf seinen Tisch zurück.
    »Zu spät«, sagte er leise.
    Czernik senkte den Kopf. »Ja, ich weiß. Es war auch meine letzte Mission bei Ihnen.«
    Der Haushalt Professor Berghs war in völliger Auflösung.
    Die junge Frau Gabriele Bergh und die Haushälterin Erna hatten mit zwei Packern die Sachen in Kisten und Holzwolle eingepackt, die man mit nach Kanada nahm.
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