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Der Ripper - Roman

Der Ripper - Roman

Titel: Der Ripper - Roman
Autoren: Heyne
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weg.
    Ich rief nach ihr, erhielt aber keine Antwort.
    Vielleicht war sie ja ebenfalls ohnmächtig geworden, und so sah ich mich um, soweit das ging, ohne mich zu bewegen. Whittle lag in der Nähe, so tot wie all die Leute, die er umgebracht hatte. Ich betrachtete mehrere seiner Opfer. Und da fiel mein Blick auf Sarah.
    Sie lag kopfüber an der Stelle, wo Whittle sie hingeworfen hatte.
    Die Schmerzen der Schusswunden waren nichts verglichen mit der Pein, die ich verspürte, als ich sie ansah. Arme Sarah. Ein verstümmelter Kadaver.

    Meine schöne Sarah, die ein solches Ende gefunden hatte.
    Also war sie doch nicht mit Briggs durchgebrannt. Sie war nach Tombstone gereist, in der Hoffnung, dass ich den Sturz aus dem Zug überlebt hatte und versuchen würde, mich zu ihr durchzuschlagen. Sie hatte es ganz allein mit Whittle aufgenommen und war hier geendet - wo sie ihre letzten Stunden oder vielleicht gar Tage unter unaussprechlichen Qualen verbrachte.
    Und das alles nur wegen mir.
    Sie hatte mich geliebt und war dafür gestorben.
    Es spielte keine Rolle, dass sie meiner Mutter die Briefe vorenthalten hatte. Zweifellos hatte sie die Furcht angetrieben, sie könnte mich verlieren. Und eigentlich war das ein kleiner Verrat gewesen.
    Doch ich hatte sie auf weitaus schlimmere Weise verraten, als ich mein Herz Jesse geschenkt hatte.
    Wenigstens war Sarah das Wissen um diese Tatsache erspart geblieben. Sie war in dem Glauben gestorben, dass ihr noch immer meine Liebe gehörte.
    Plötzlich stieß ich ein lautes Lachen aus, das meinen Körper schmerzen ließ.
    Es wäre richtiger gewesen, wenn sie meine Existenz mit ihrem letzten Atemzug verflucht hätte.
    Sie alle hätten das tun sollen. All diejenigen, die seit jener schlimmen Nacht in London vor so langer Zeit meinen oder Whittles Weg gekreuzt und deswegen den Tod gefunden hatten.
    Zumindest wird er niemanden mehr töten, sagte ich mir.
    Wir hatten ihn zur Strecke gebracht. Jesse und ich.
    Mein Blick fiel auf einen Revolver, der ein Stück neben meinen Füßen lag. Ich fragte mich, ob ich wohl die nötige
Kraft aufbringen würde, ihn mir zu holen. Eine Kugel in die Schläfe, und nie wieder würde meinetwegen jemand sterben müssen.
    Als ich das letzte Mal ein solche Handlung in Betracht gezogen hatte, hatte ich es aufgeschoben, da Whittle noch unter den Lebenden weilte.
    Diese Ausrede hatte ich jetzt nicht mehr.
    Tu es, dachte ich. Tu es sofort, bevor du Jesse in irgendwelche Schwierigkeiten bringst und ihren Tod verschuldest. Einmal hast du sie bereits beinahe auf dem Gewissen gehabt.
    Ich starrte den Colt an, kroch jedoch nicht auf ihn zu.
    Mich selbst zu erschießen schien das einzig Richtige zu sein, und ich kam mir ziemlich selbstsüchtig und erbärmlich vor, weil ich nicht sterben wollte. Vermutlich würde diese Entscheidung andere Leute das Leben kosten, vielleicht sogar Jesse. Doch all diesen Überlegungen zum Trotz entdeckte ich, dass ich ein unbändiges Verlangen nach dem Leben verspürte, ganz egal, was die Zukunft auch bringen mochte. Und das ließ alles in einem anderen Licht erscheinen.
    Vermutlich würde ich in den kommenden Tagen und Jahren noch Verwendung für meine beiden Colts haben - falls ich die Wunden überlebte. Und tief im Innern wusste ich plötzlich, dass ich nie wieder versucht sein würde, sie gegen mich zu richten. Sie waren dazu da, Jesse und mich zu beschützen. Sie waren dazu da, um Ungeziefer zur Hölle zu schicken.
    Da ich solch schwerwiegende Gedanken wälzte, hatte ich meine Sorge um Jesse ganz vergessen. Plötzlich ertönten Schritte, und ich sah zur Höhlenöffnung. Ein gelbliches Licht schimmerte in der Dunkelheit.

    Dann kam Jesse hereingehumpelt.
    In einer Hand hielt sie eine Fackel, deren Licht ihr goldenes Haar leuchten ließ. Ihr Gesicht glänzte. Sie keuchte. Über ihrer Schulter hingen Satteltaschen und eine Feldflasche.
    Aber die eigentliche Überraschung war das gelbe Kattunkleid. Es war am Hals zugeknöpft, hatte lange Ärmel und reichte ihr bis zu den Knöcheln. Der Revolvergürtel um ihre Hüften sah irgendwie fehl am Platz und seltsam aus.
    Als sie bemerkte, dass ich wach war, blieb sie stehen.
    »Pass bloß auf, dass dir die Augen nicht rausfallen«, sagte sie.
    »Jesse Sue Longley.«
    »Höchstpersönlich.«
    »In einem Kleid !«
    Sie setzte sich wieder in Bewegung und humpelte mit schmerzverzerrtem Gesicht näher. »Meine anderen Sachen waren nur noch Fetzen. Außerdem wolltest du mich ja unbedingt mal in so einem Ding
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