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Der Ring des Sarazenen

Der Ring des Sarazenen

Titel: Der Ring des Sarazenen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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kletterte ungeschickt heraus. Das Wasser, das sie dabei verspritzte, machte den Mosaikfußboden so schlüpfrig, dass sie um ein Haar gestürzt wäre, was Nemeth zu einem weiteren, schadenfrohen Kichern veranlasste.
    Was folgte, war für Robin ebenso erniedrigend wie neu und wohltuend. Aisha und auch Nemeth schrubbten ihr mit einem rauen Tuch die Glieder trocken. Abgestorbene Haut und Schorf lösten sich in kleinen weißen sowie rot-braunen Kringeln und einige der gerade erst im Verheilen begriffenen Wunden brachen wieder auf und begannen zu bluten.
    Aisha nahm wenig Rücksicht darauf. Erst als Robin vollkommen trocken war, kümmerte sie sich um ihre Verletzungen, tupfte das Blut weg oder legte schmale weiße Verbände an, wo es nötig war. Robin ließ alles klaglos mit sich geschehen. Sie fühlte sich schläfrig. Wie durch einen Schleier und als ob es gar nicht mit ihr, sondern mit einer Fremden geschähe, bemerkte sie, wie Aisha sie in einen langen Mantel aus weichem Stoff hüllte und dann zum Fenster führte, um im hellen Sonnenschein ihr Haar trocken zu bürsten.
    Aisha sparte dabei nicht mit Komplimenten, sowohl was die Farbe als auch was die Länge ihres Haars und dessen feine Struktur anging - und das, obwohl sie unter ihrem Schleier selbst eine Haarpracht trug, die Robin mit einem Gefühl von blankem Neid erfüllte. Es fiel ihr zunehmend schwerer, sich auf die Worte der Araberin zu konzentrieren. Alles drehte sich um sie auf eine angenehme, einlullende Art, gegen die sie sich nun nicht mehr wehrte. Halb benebelt fragte sie sich, ob es einfach nur die Entspannung war, mit der ihr Körper nach den Strapazen der letzten Tage auf das warme Bad reagierte, um ihr die dringend benötigte Ruhe zu verschaffen.
    Auf diese Weise verging sicher eine halbe Stunde. Aisha, deren Stimme immer mehr und mehr zu einem Teil der natürlichen Nebengeräusche zu werden schien, bürstete Robins Haar geduldig und so lange, bis es trocken war. Schließlich schimmerte es tatsächlich ein wenig wie gesponnenes Gold im Sonnenlicht. Dann führte sie sie zurück zum Tisch, wo Nemeth mehr als ein Dutzend kleiner Fläschchen, Tiegel und Schalen voller Puder und Farbe sowie allen nur vorstellbaren Schminkutensilien aufgebaut hatte.
    Der Anblick durchbrach die Benommenheit ein wenig, die von Robin Besitz ergriffen hatte, denn er erinnerte sie nachhaltig wieder daran, warum sie eigentlich hier war und weshalb sich Aisha solche Mühe mit ihrem Äußeren gab.
    »Warum tut ihr das?«, murmelte sie.
    »Damit du deinem zukünftigen Gemahl gefällst«, antwortete Aisha.
    »Soweit ich weiß, kennt er dich mehr in Männerkleidern und mit einem Messer in der Hand als in dem Körper, den Allah dir bei deiner Geburt geschenkt hat.«
    »Ich werde das nicht tun.« Robins Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Sie fühlte sich immer benommener, nicht jedoch schläfrig. Vielmehr befand sie sich in einer Stimmung, in der ihr eigentlich alles gleich war, in der sie nichts mehr erschrecken noch erfreuen konnte. Es war ein weiches Dahinschweben, in dem alles, was ihr je widerfahren war und vielleicht noch mit ihr geschehen würde, zunehmend an Bedeutung verlor.
    »Du… hast mir etwas gegeben, nicht wahr?«, murmelte sie.
    Aisha schüttelte den Kopf. »Du unterschätzt die Wirkung der Strapazen, die du in den letzten Tagen durchlitten hast. Anders als wir bist du die Wüste nicht gewöhnt - es ist ein Wunder, dass du die letzten Tage überhaupt so unbeschadet überstanden hast.«
    »Das ist keine Antwort auf meine Frage«, stellte Robin fest. Sie war nicht ganz sicher, ob Aisha sie tatsächlich anlächelte oder nicht. Es spielte auch keine Rolle.
    »Es wäre nicht im Sinne deines künftigen Gemahls«, sagte die Araberin mild, »wenn du ihm nicht bei vollem Verstand gegenübertreten würdest.«
    »Ich werde Harun trotzdem nicht heiraten«, murmelte Robin. Sie war nicht einmal sicher, ob sie es wirklich sagte oder sich nur vo r stellte, es zu sagen.
    Es war ihr fast unmöglich, irgendetwas anderes zu tun, als fast teilnahmslos abzuwarten, während Aisha die Schminkutensilien zur Hand nahm und sich damit mit ebenso geduldigen wie geübten Bewegungen an ihrem Gesicht zu schaffen machte. Einmal zuckte sie zusammen und sog scharf die Luft ein, als sie ihr mit einem kleinen Lappen über die gerissenen Lippen tupfte. Aber der Schmerz verging so schnell, wie er gekommen war, und auch er schien irgendwie nicht zu ihr zu gehören, sodass er sie nicht wirklich
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