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Der Ring des Sarazenen

Der Ring des Sarazenen

Titel: Der Ring des Sarazenen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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schüchtern, sich ebenfalls zu entkleiden. Dabei sah sie unsicher von Robin zu Aisha und wieder zurück. Robin fuhr leicht zusammen, als sie sah, wie dünn und ausgemergelt Nemeth war. Die Entbehrungen des Rittes durch die Wüste waren an ihr nicht spurlos vorübergegangen, so wenig wie die Tage, die sie in Omars Sklavenverlies verbracht hatte. Man konnte jede einzelne Rippe durch ihre Haut schimmern sehen und ihr Körper war über und über mit Schrammen, blauen Flecken sowie verschorften Wunden bedeckt, jetzt als sie Nemeth nackt und zitternd vor Unsicherheit und Scham vor sich stehen sah, begriff sie erst, welches Wunder es im Grunde war, dass das Kind die Flucht durch die Wüste überhaupt lebend überstanden hatte.
    Auch Aisha betrachtete Nemeth lange und eingehend, und was sie sah, schien ihr genauso wenig zu gefallen wie Robin. Sie maß Nemeth scheinbar endlos lang mit gerunzelter Stirn, dann verschwand sie mit schnellen Schritten hinter dem Vorhang. Als sie zurückkam, hielt sie ein zusammengerolltes weißes Bündel in den Händen. »Du kannst ins Wasser steigen, sobald die Ungläubige mit dem Bad fertig ist«, sagte sie. »Und danach ziehst du das hier an.«
    Sie warf Nemeth das Bündel zu. Das Mädchen fing es geschickt auf und schien im ersten Moment nicht genau zu wissen, was es damit anfangen sollte. Dann aber riss sie ungläubig und erfreut zugleich die Augen auf. Was Aisha ihr zugeworfen hatte, war ein prachtvolles, eng geschnittenes Kleid aus einem weißen Stoff, der unter den schräg hereinfallenden Strahlen der Sonne schimmerte wie Porzellan. Saum und Ärmel waren mit feinen Goldstickereien verziert, und um die Taille zog sich eine aufgestickte Bordüre aus ebenfalls goldenen Rosen, Blättern und Blüten.
    »Das… das ist wirklich… für mich?«, flüsterte sie ungläubig.
    »Jetzt bilde dir nicht zu viel darauf ein«, murrte Aisha. »Mir ist es ja gleich, wie du herumläufst. Aber die Dienerin der zukünftigen Lieblingsfrau unseres Herrschers sollte nicht wie eine Bettlerin aussehen.«
    Robin musste sich beherrschen, damit sich kein Lächeln auf ihre Lippen stahl, während Nemeth die Worte gar nicht gehört zu haben schien. Bewundernd starrte sie das weiße Kleid in ihrer Hand an und strich immer wieder mit den Fingerspitzen darüber, als müsste sie es anfassen, um auch zu glauben, was sie sah.
    »Jetzt hör auf, mit deinen schmutzigen Fingern daran herumzukneten«, sagte Aisha. »Das Kleid wird deinen Geruch schon noch früh genug annehmen.«
    Als Robin sah, wie verstört Nemeth plötzlich wirkte, schüttelte sie ärgerlich den Kopf. »Gib es auf, Aisha«, sagte sie. »Du bist nicht so hartherzig, wie du tust.«
    Der Zorn, der jetzt in Aishas Augen aufblitzte, war echt, als sie zu Robin herumfuhr. »Aber du anscheinend noch dümmer, als ich geglaubt habe!«, schnappte sie. »Glaubst du, ich tue das alles hier, weil es mir Spaß macht?« Sie machte eine wedelnde Handbewegung zum Fenster. »Du hast die Aprikosenbäume dort draußen gesehen und den Duft ihrer Blüten gerochen, oder? Vielleicht ist es in dem Land, aus dem du kommst, ja so üblich, dass eine Frau wie ein Stallbursche stinkt. Bei uns jedenfalls nicht. Hier hast du nun die Wahl, wie eine liebliche Blüte zu duften, die die Sinne der Männer betört.«
    Robin hatte sich vorgenommen, nicht mehr auf Aishas ständige Nörgelei an ihrem Äußeren, ihrem Benehmen und ihrem Geruch einzugehen, und das warme Wasser und die Entspannung taten das ihre, sodass sie sich wohlig entspannt gefühlt hatte. Jetzt aber spürte sie plötzlich eine unterschwellig drohende Gefahr, etwas, was Aisha nicht auszusprechen wagte, wovor sie sie aber vielleicht mit diesen Worten warnen wollte.
    »Ich habe noch nie besonderen Wert darauf gelegt, die Sinne irgendwelcher Männer zu betören«, murmelte sie.
    Statt etwas zu entgegnen, bemerkte Robin, wie Aisha einen flüchtigen, verschwörerischen Blick mit Nemeth tauschte. Und Nemeth, die Aishas Blick erwidert hatte, drehte sich rasch wieder um und begann leise zu kichern.

»Genug jetzt!«, sagte Aisha streng. Sie bedeutete Robin mit einer Geste, aufzustehen.
    Am liebsten hätte sie die Aufforderung einfach nicht beachtet. Ihr Körper schrie nach Ruhe, und das warme Wasser mit den Essenzen ließ ihre Glieder noch schwerer werden. Erst als Aisha die Hand ausstreckte und Robin unzweifelhaft klar machte, dass sie sie nötigenfalls auch mit Gewalt aus dem Becken zerren würde, stemmte sie sich umständlich hoch und
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