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Der Ring des Sarazenen

Der Ring des Sarazenen

Titel: Der Ring des Sarazenen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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hat mir etwas getan«, versicherte Nemeth. Ihre Augen leuchteten glücklich. »Im Gegenteil. Harun ist der netteste Mensch, den du dir vorstellen kannst, und du wirst nicht glauben, wer…»
    »Das reicht jetzt«, unterbrach sie Aisha. Robin sah verwirrt zu Haruns Leibsklavin hoch, doch Aisha deutete sogleich eine besänftigende Geste an, und ihre Augen, der einzige Teil ihres Gesichtes, der über dem goldverzierten Schleier sichtbar war, lächelten. »Wir haben wirklich noch eine Menge vor uns. Du musst etwas trinken. Und vor allem essen, damit dir nicht die Kräfte versagen und du ohnmächtig wirst, wenn du ins heiße Bad steigst.«
    »Bad?«, wiederholte Robin verständnislos.
    Aisha nickte, und Nemeth fügte mit einem leisen, ein wenig schadenfrohen Kichern hinzu: »Sie hat Recht, weißt du? Du riechst wirklich ein bisschen wie ein Kamel.«
    »Hast du schon einmal gehört, wie ein Kamel schreit, wenn man es an den Ohren hochzieht?«, erwiderte Robin und setzte eine übertrieben drohende Miene auf. Nemeth antwortete nur mit einem weiteren Kichern, aber Aishas Stirn umwölkte sich ärgerlich.
    »Genug mit dem Unsinn«, sagte sie. Sie deutete mit einer unwilligen Geste auf den Tisch, auf dem die Sklavin mittlerweile ihre Last abgeladen hatte. »Iss. Und trink. Aber schling nicht.«
    Das ließ sich Robin nicht zweimal sagen. Auch wenn in den letzten Minuten so viele unterschiedliche Eindrücke und Überraschungen auf sie eingestürmt waren, dass sie das qualvolle Brennen in ihrer Kehle beinahe vergessen hatte; so meldete sich jetzt ihr Durst mit aller Macht zurück. Sie beherrschte sich, so gut es ging. Aisha runzelte missbilligend die Stirn, während Robin - zuerst gierig, dann etwas zurückhaltender - die gesamte Obstschale leerte. Dabei spülte sie mit Unmengen von Wasser nach und war selbst dann noch durstig, als der Krug bis auf den letzten Tropfen geleert war. Sie warf Aisha einen bettelnden Blick zu, den diese jedoch nur mit einem Kopfschütteln beantwortete. Im Stillen musste sie der Araberin Recht geben. Sie fühlte sich jetzt schon, als müsste sie jeden Moment platzen, und wenn sie noch mehr aß oder trank, würde ihr das ganz bestimmt nicht gut bekommen.
    Erst als sie sowohl die Obstschale als auch den Krug vollkommen geleert hatte, fiel ihr wieder auf, dass Nemeth auf der anderen Seite des Tisches Platz genommen hatte und sie die ganze Zeit über angeblickt hatte. Schuldbewusst sah sie auf die leere Obstschale hinab und wollte etwas sagen, aber das Mädchen schien ihre Worte vorausgeahnt zu haben und schüttelte hastig den Kopf.
    »Das macht nichts«, sagte sie. »Wir bekommen hier genug zu essen.«
    »Ist das wahr?«, vergewisserte sich Robin.
    »Ganz bestimmt«, versicherte Nemeth in lebhaftem Ton. »Stell dir nur vor, es gibt hier immer so viel zu essen, wie du nur haben willst, frisches Obst, und Fleisch, und Gemüse, und klares, kaltes Wasser, sogar genug, dass man darin baden kann!«
    »Ach?«, sagte Robin.
    »Ja«, fügte Aisha hinzu. »Und daran führt nun auch wirklich kein Weg mehr vorbei.«
    »Also gut», murrte Robin. »Aber dein Gebieter wird nicht besonders erfreut sein, wenn mir etwas zustößt.«
    »Zustößt?« Aisha zog die linke Augenbraue hoch.
    »Soviel ich weiß, sind mehr Leute an den Folgen eines Bades gestorben als je in irgendeinem Krieg«, antwortete sie. Das war zwar hierzulande eine vollkommen sinnlose Bemerkung und nur dazu angetan, Aisha zu reizen. In Bezug auf Robins Heimat jedoch kein völliger Unsinn, wenn man bedachte, wie rasch man sich dort mit nassem Haar einen Schnupfen oder gar eine Lungenentzündung holen konnte. Doch wie sollte sie das einem Menschen erklären, der vermutlich nicht einmal wusste, was das Wort Kälte tagsüber überhaupt bedeutete?
    Aisha ersparte sich eine Antwort und gebot Robin mit einer unwilligen Geste aufzustehen. »Zieh dich aus«, verlangte sie.
    »Wie?«
    »Du sollst die Lumpen ablegen, die du da trägst«, sagte Aisha. »Ich werde sie verbrennen lassen. Komm!«
    Während Robin begann, ihre Kleider abzulegen, führte Aisha sie zu dem steinernen Trog, der in der Mitte des Zimmers stand. Als sie näher kamen, entdeckte Robin an seinen Außenseiten hübsche Figuren, die man in den Stein gemeißelt hatte: Männer und Frauen, die bequem lagen und speisten. Über den Köpfen der Speisenden rankten sich Weinreben und auf einer Seite waren kantige Buchstaben in den Stein hineingehämmert worden, deren Bedeutung Robin jedoch fremd war, sie
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