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Der Ring des Sarazenen

Der Ring des Sarazenen

Titel: Der Ring des Sarazenen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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berührte.
    Irgendwann war Aisha fertig und anscheinend zufrieden mit dem Ergebnis ihrer Bemühungen. Sie musterte Robin noch einmal kritisch, stand dann auf und verschwand wieder hinter dem Vorhang, um mit einem großen Spiegel aus poliertem Silber zurückzukommen. Wortlos hielt sie ihn so hin, dass Robin, nachdem sie aufgestanden war, sich selbst darin betrachten konnte.
    Es war nicht das erste Mal, dass sie Mühe hatte, in der Gestalt im Spiegel sich selbst zu erkennen, aber vielleicht war ihr die Veränderung noch nie so dramatisch vorgekommen wie jetzt. Sie hatte sich selbst nicht gesehen, als sie am vergangenen Tage die Festung betreten hatte. Doch es gehörte nicht viel Fantasie dazu, sich vorzustellen, welchen Anblick sie geboten hatte, ausgezehrt, von der Hitze verbrannt, halb verhungert und mehr als halb verdurstet, in Fetzen gehüllt, die längst die Farbe der Wüste angenommen hatten, durch die sie geritten waren.
    Von alledem war jetzt nichts, aber auch gar nichts mehr zu entdecken. Aisha hatte ein wahres Wunder vollbracht. Robin trug eine weite, rote Hose, mit goldenen Blüten und Blättern bestickt, sowie einen Gürtel, der aus filigran gearbeiteten Kettengliedern in Form ineinander geschlungener Rosen bestand. Dazu ein gleichfarbiges Oberteil und um die dünne Narbe an ihrem Hals zu verdecken, hatte Aisha ihr einen hauchzarten roten Seidenschal umgelegt. Sie trug zierliche rote Pantoffeln an den Füßen und jeder Schritt wurde vom leisen Klingeln goldener Glöckchen begleitet, die als Schmuck an einer dünnen Fußkette um ihre rechte Fessel hingen.
    Ihr Gesicht schließlich schien vollends das einer Fremden zu sein. Irgendwie war es Aisha gelungen, sowohl die Spuren des Sonnenbrandes als auch all die winzig kleinen Schrammen und Kratzer so zu überschminken, dass sie tatsächlich verschwunden zu sein schienen. Und selbst ihre Lippen sahen nicht mehr aus wie vereiterte Narben auf dem Handrücken eines uralten Mannes, sondern glänzten nun in einem weichen, sinnlichen Rotton.
    »Das ist…«, begann sie. Ihre Stimme versagte. Sie hatte nie zu denen gehört, die in ihr eigenes Spiegelbild verliebt waren, und trotzdem war es ihr jetzt unmöglich, sich davon loszureißen. Der Anblick weckte einen Schmerz in ihr, von dem sie geglaubt hatte, ihn irgendwann im Laufe der zurückliegenden Zeit überwunden zu haben. Auch wenn sie es sich nie selbst eingestanden hatte: Wie oft hatte sie sich insgeheim gewünscht, dass Salim sie so sehen könnte, nicht als verkleideter Ritter, nicht in schmutzigen Kutten oder Kettenhemden, sondern als das, was sie trotz allem immer noch war: als Frau.
    »Du bist wunderschön«, sagte Nemeth hinter ihr.
    Das war zu viel. Robin versuchte, sich mit verzweifelter Kraft dagegen zu wehren, aber es gelang ihr nicht. Ihre Augen füllten sich mit Tränen und ihre Kehle zog sich zu einem bitteren Kloß zusammen, der ihr das Atmen fast unmöglich machte.
    »Jetzt sieh dir an, was du angerichtet hast, du dummes Kind!«, schimpfte Aisha. »Sie wird noch ihre ganze Schminke ruinieren! Was soll ich jetzt tun? Ich kann von vorne anfangen!«
    »Das wird wohl nicht nötig sein«, sagte eine Männerstimme.
    Robin fuhr wie von einem Skorpion gestochen herum und riss entsetzt die Augen auf. Ihr Herz machte einen Sprung bis in ihren Hals hinauf und sowohl die Tränen als auch die Erinnerung an Salim, aber auch die verlockende Benommenheit waren hinweggefegt.
    Hinter dem Vorhang, hinter dem anfangs Nemeth und die Sklavinnen gewartet hatten und Aisha ein paar Mal verschwunden war, war die massige Gestalt Sheik Sinans hervorgetreten.
    »Du hast wunderbare Arbeit geleistet, meine Liebe«, lobte Harun.
    »Und die paar Tränen machen ein solches Gesicht höchstens noch schöner.«
    Robin spürte, wie sie am ganzen Leib zu zittern begann. War Harun die ganze Z eit über dort gewesen? Hatte er alles gehört, und vor allem - gesehen!
    »Es tut mir Leid, Gebieter«, sagte Aisha. »Bitte verzeiht mir, aber…«
    Harun unterbrach sie mit einer wedelnden Geste seiner linken, schwer beringten Hand. »Da ist nichts, was dir Leid tun müsste«, sagte er. »Wie gesagt: Ich bin sehr zufrieden. Wenn man bedenkt, wie sie heute Morgen noch ausgesehen hat, hast du mehr als ein Wunder vollbracht. Aber nun geh und lass uns allein. Und du«, fügte er mit einem Lächeln in Nemeths Richtung hinzu, »auch.«
    »Aber wieso?«, fragte Nemeth verständnislos.
    Haruns Lächeln wurde noch etwas milder. »Weil es bei uns üblich ist,
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