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Der Ring Der Jaegerin

Der Ring Der Jaegerin

Titel: Der Ring Der Jaegerin
Autoren: Andrea Schacht
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und sanftmütig, darum folgte ich ihrem roten Schwanz zu einem abgelegenen Becken. Es dampfte kräftig, war also wohl ziemlich heiß. Ein Test mit der Hand bestätigte das. Heiß, aber nicht unerträglich. Ich streifte meine Reisekleidung ab, und Zeh für Zeh tauchte ich in das Wasser ein. Als ich bis zu den Knien darinstand, zauberte mir eine kühle Brise Gänsehaut auf den Körper und beschleunigte mein Eintauchen.
    Und dann folgte der unglaublichste Genuss. In der sich langsam dem Horizont zuneigenden Abendsonne schwebte ich, in Dampfschwaden gehüllt, schwerelos im warmen Wasser. Ich hatte das Bedürfnis, meinen Zopf zu lösen, und bald umgaben mich träge wogende Haarsträhnen. Muskelknoten lösten sich, Verspannungen wurden weich, mein Atem wurde tiefer, entspannter. Zeit und Raum verloren jede Bedeutung, Bedeutung verloren auch alle Verkrampfungen meiner Seele. Ich schwamm im Fruchtwasser des Seins, geborgen, geschützt, von Wärme umhüllt.
    Erst als ein Planschen neben mir anzeigte, dass Nefermeri meine Aufmerksamkeit wünschte, schwamm ich mit langsamen Bewegungen zum seichten Beckenrand. Sie wies mit der Nase auf ein anderes Becken, das sich in der Dämmerung kaum noch ausmachen ließ. Ich folgte ihr gehorsam und stieg in das eiskalte Wasser, das mir das Gefühl gab, von innen aufzuglühen.
    Nur in meinen Umhang gehüllt kehrte ich zu meiner Laube zurück, zog frische Kleider an und machte mich an das mühselige Geschäft, meine langen Haare zu entwirren. Wider Erwarten ging es erstaunlich leicht, das Wasser musste wohl eine glättende Wirkung gehabt haben. Und die im Kessel simmernde Fischsuppe anschließend war köstlich.
    Die nächsten Tage waren wirklich so etwas wie Urlaub. Es war wie Ferien von mir selbst. Ich sprach kaum mit jemandem, dachte an nichts, schwamm in heißen, warmen und kalten Becken und ließ mir die Sonne auf die Nase scheinen. Zwischendurch machte ich lange Spaziergänge in dem frühlingsgrünen Land, atmete die reine, manchmal scharf auffrischende Luft ein, las in Katharinas Buch und schlief viele Stunden lang.
    Obwohl ich wusste, dass eine Menge Probleme auf mich warteten, verdrängte ich sie nicht bewusst. Es war einfach so, dass sie mich nicht berühren konnten. Ich hatte das Chaos verlassen – oder besser, ich war in den ruhenden Mittelpunkt des Strudels gelangt. Um mich herum wirbelte die Welt weiter, würde ewig weiterwirbeln, kreiseln, Blasen werfen. Auch ich würde wieder mit einbezogen werden in den Mahlstrom. Doch nach und nach in diesen geruhsamen Tagen fand ich heraus, dass in mir selbst die stille Mitte lag. Der Ort, an dem Beständigkeit und Frieden herrschten, war jetzt in mir, ich brauchte ihn nicht mehr zu suchen.

Kapitel 33
    Die Tage vergingen wie der Wasserdampf in der kühlen Luft über dem heißen Wasser. Algorab kam zu mir und bat mich, für den nächsten Tag meine Sachen zusammenzupacken. Bald würde der Mond sich runden und der Zeitpunkt meiner Rückkehr zur Menschenwelt war gekommen.
    Und so saß ich jetzt hier an meinem Wasserfall, der nächtliche Himmel sternenbesetzt und beflockt von silbrigen Wölkchen.
    »Nun, Katharina, hast du es getan?«
    Der Weise und die Königin waren samtpfotig zu mir gekommen, was ich als hohe Ehre empfand. Majestät war geheilt, nur eine Narbe war an der Pfote geblieben, ein Streifen weißen Fells.
    »Was soll ich getan haben, Majestät?«
    »Nun, was der letzte Vers im Buch dich hieß.«
    »Nein, Majestät. Ich habe es nicht getan.«
    »Interessiert es dich nicht?«
    Ich überlegte. Interessierte es mich nicht, was mit mir geschehen war, oder hatte ich Angst davor?
    »Schau in den Spiegel, Katharina«, bat der Weise sanft. »Das Wasser ist ganz still.«
    Ich nickte, dann stand ich auf, stieg auf den Felsbrocken, der in den See hineinragte, und beugte mich über die schimmernde Wasserfläche. In der Verzerrung sah ich zuerst nur meinen Körper als dunkle Silhouette vor dem mondhellen Nachthimmel, doch dann erkannte ich mehr und mehr Farben, Einzelheiten. Meine Haare flossen offen über meine Schultern, meine Konturen wurden deutlicher. Es war, als kippe der Wasserspiegel langsam in die Senkrechte. Ich sah mein Gesicht, die hellen, grauen Augen über der leicht gebogenen Nase, die vollen Lippen mit den nach oben geschwungenen Mundwinkeln, wie zu einem Lächeln bereit. Es lag ein seltsamer Glanz über diesem Gesicht. Als hätten die Augen viel gesehen, als hätte der Mund sich vor Schmerzen verzogen und die Lippen vor Angst
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