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Der Rikschamann

Der Rikschamann

Titel: Der Rikschamann
Autoren: Jan Schroeter
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Wasser so weit herunter, dass es sich pellen ließ, dann schnitt er es in sandwichkompatible Scheiben. Tragisch für das Mädchen. Nicht sein Problem. Sein Problem war Oleg. Wie der vorhin einfach abgehauen war…
    Sie kannten sich buchstäblich aus der Sandkiste: Max, der freundliche Junge von der besseren Seite der Straße, der mit jedem gut auskam – und Oleg, das Russenkind, der sich auf dem Spielplatz reihum mit jedem mal in der Wolle hatte, bloß nie mit Max. Warum eigentlich nicht?
    Max garnierte Eierstücke und Salat auf die Sandwich-Zwischendecke, bestrich die dritte und letzte Toastscheibe mit Senf und deckelte seine Kalorien-Kreation damit ab. Er quetschte alles in den elektrischen Sandwich-Toaster und schaltete das Gerät ein. Ein Geschenk seiner Mutter zum Einzug. Meist benutzte Oleg das Ding. So war es immer: Max besaß das Spielzeug – und Oleg einen Plan, was man damit spielen könnte.
    Insgeheim bewunderte Max seinen Freund dafür. Andererseits quälte ihn seit einiger Zeit das Gefühl, dass sie unübersehbar auf einen Punkt zutrieben, an dem Olegs Pläne und Max’ Vorstellungen von der Zukunft sich nicht mehr vereinbaren ließen. Dass Max überhaupt keine große Vorstellung von seiner Zukunft hatte, machte es eher schwieriger, gestand er sich ein, während das Sandwich unter der Heizplatte knisterte und zerlaufende Käsefäden bräunlich unter der Abdeckung hervor quollen. Er ging ganz gerne in die Historiker-Seminare. Das war interessant, auch ohne die Garantie auf einen Arbeitsplatz danach. Er würde diese Seminare selbst dann nicht als verlorene Zeit betrachten, wenn er gar kein Examen machte. Es gab noch viele interessante Dinge auf der Welt, warum sollte man nicht noch mehr ausprobieren? Ein bisschen hiervon, ein bisschen davon. Ausgerechnet Oleg spukt solche Töne! Der hatte es nur ein paar Wochen an der Uni ausgehalten. Warum nicht ein bisschen hiervon, ein bisschen davon? Sie waren doch erst zweiundzwanzig!
    Oder schon zweiundzwanzig?
    Max blickte ratlos zum Fenster. Kein gutes Gefühl im Bauch, und das kam nicht nur vom Hunger. Vor dem Hintergrund der Dunkelheit draußen zeichnete sich ein Gemälde auf der Fensterscheibe ab: Das Licht der Küchenlampe und Max darunter – dunkle Strubbelhaare, die eine Spur zu lang in die Stirn fielen, die braunen Augen und das schmale Gesicht so verschattet, dass sich kein klares Bild ergab.
    Vielleicht würde es das auch nie geben.
    Berge von Schaum türmten sich und füllten das Bad mit angenehmen Aromen. Nastja lehnte sich wonnevoll im Whirlpool zurück und genoss das Trommelfeuer wohltemperierter Wasserströme auf ihrem nackten Körper, abgeschossen aus unzähligen Massagedüsen, die an den unglaublichsten Stellen angebracht zu sein schienen. Wo das überall kitzelte…
    Unglaublich. Das ganze Penthouse der pure Luxus. Wie auf MTV, wenn da irgendwelche bescheuerten Multimilliardär-Hiphopper oder NBA-Sportstars ihre Protzhütten vorführten – überall versenkbare Flatscreens, begehbare Kleiderschränke mit mehr Auswahl als in einer Boutique und dezent versteckte Hi-Fi-Boxen in jeder Ecke.
    »Meine kleine Zuflucht«, hatte Pete die durchgestylte Räumlichkeit stolz präsentiert, als sie vor zwei Stunden hier angekommen waren. »Mein kleines Geheimnis, mein Rückzugsort für kreative Höhenflüge.«
    Natürlich kam er vor allem hierher, um kreativ fremd zu vögeln. Nastja war zwar erst Fünfzehn, aber nicht blöd. Deshalb hatte sie auch brav das ganze Programm mitgemacht, wie von Pete gewünscht: Getrennt und mit ein bisschen Zeitabstand das »Hell on Earth« verlassen, draußen in einer dunklen Ecke auf Pete gewartet, dann schnell zu ihm in den Z3-Flitzer gestiegen. Sie waren ungesehen in die Tiefgarage gefahren und von dort mit einem Fahrstuhl durch bis zum Penthouse – alles sehr diskret und sicher schon tausendmal erprobt.
    Das Penthouse war große Klasse. Was sie von Pete – eigentlich heißt er ja Pieter, hatte er verraten – halten sollte, wusste Nastja nicht so ganz. Klar, ein geiler, alter Sack, doch auch irgendwie niedlich. Nein, nicht wirklich niedlich, aber irgendetwas spürte sie in ihm, das sie irritierte. Pete ist locker 30 Jahre älter als ich, überlegte sie, vielleicht sogar 40 Jahre – aber vorhin habe ich mich älter gefühlt als er. Da war er allerdings auch schon ziemlich hinüber. Keine Ahnung, wie viele Diabolos Pete im Club weggekübelt hat. Hier noch den Schampus. Und nicht zuletzt die K.O.-Tropfen, die ich ihm ins
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