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Der Rikschamann

Der Rikschamann

Titel: Der Rikschamann
Autoren: Jan Schroeter
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letzte Glas gegeben habe…
    Die Dinger hatten ihm umgehend das Licht ausgeknipst. Zuvor hatte er aber noch zielsicher das Bändchen zerrissen, das ihr Teufelchen-Dienstkostüm zusammenhielt. Auf Petes Wunsch hatte sie es aus dem Club mitgenommen, hier im Badezimmer angezogen und sich ihm in dem Fummel zu cooler Musik und dezent gedimmten Licht im Wohnzimmer präsentiert. Erst waren ihm fast die Augen aus dem Schädel geknallt, dann ließ er die gierigen Finger spielen – zack, war das Bändchen weg, das komplette Kostüm löste sich in fallende Schleier auf und sie stand prompt ganzkörpermäßig im Freien. Nur Sekunden nach dem Bändchen riss bei Pete der Film, da war er aber auch nur noch leicht bekleidet gewesen. Jetzt lag er schnarchend auf dem flauschigen Teppich und sah mit seinen durchhängenden Bauchpolstern über dem Calvin-Klein-Slip ziemlich lächerlich aus. Natürlich hätte sie sofort weiter nach Plan vorgehen sollen. Aber sie war sowieso schon nackt und der Whirlpool eine zu große Versuchung…
    Nastja streckte sich genüsslich im warmen Wasser, schob leicht die volle Unterlippe vor und blies sich ein paar vorwitzige Schaumflocken von der Nase. Diese Stunde gehörte ihr allein. Verdientermaßen. Alle anderen durften jetzt mal warten. War sie nicht die Hauptfigur in dem ganzen Spiel? Und das würde sie in Zukunft auch immer bleiben, schwor sich Nastja. Dies hier war nur der Anfang. Mit so wenig wie Tante Mascha gab sie sich nicht zufrieden im gelobten Land des Überflusses! Ein Körper wie der ihre, ein Mädchen wie sie war gemacht für goldene Wasserhähne, Sportwagen und begehbare Kleiderschränke. Sie gehörte hierher, und zwar nicht bloß als Dekoration. Als Besitzerin! Und in dieser Stunde fühlte es sich fast schon so an, als ob…
    Morgen würden die ersten zehntausend Euro in ihrer Tasche klimpern. Sie würde noch mit vielen Männern spielen und niemandem gehören. Vielleicht irgendwann einmal das Leben mit jemandem teilen, der es wirklich verdiente. Jemandem wie Oleg, zum Beispiel. Der wollte auch nach oben, das imponierte ihr. Mit ihm zusammen, das gäbe wahrscheinlich kein schlechtes Gespann… Aber nun galt es erst einmal, diese Sache hier zu Ende zu bringen. Mit einem entschlossenen Griff zur Armatur stoppte Nastja das Trommelfeuer der Wasserdüsen und stieg aus dem Whirlpool.
    Showtime.
    Den Bademantel sparte sie sich. Für das, was geplant war, müsste sie ihn sowieso gleich wieder ablegen. Außerdem – nackt durch das Penthouse zu laufen und dabei teure Teppiche voll zu tropfen verschärfte nur das Gefühl, dies alles gehöre ihr. Pete West schnarchte unverändert auf dem Fußboden vor sich hin, den Kopf mit dümmlich aufgerissenem Mund halb unter einem Glastisch. Nastjas Klamotten lagen überall verstreut. Sie entdeckte die Handtasche in einer Sofaecke, nahm sie und klaubte ihr Handy heraus. Zeit für das Startsignal!
    Nastja zögerte noch. Zuvor eine kleine SMS an Oleg – der würde sich wundern! Oder auch nicht. Immerhin hatte er ja durchaus etwas damit zu tun, dass sie jetzt hier stand… Rasch flog ihr Daumen übers Display, pickte wie ein hungriges Vögelchen auf die Tasten ein. Und weg! Nastja lächelte. So teilte sie ihren ersten großen Triumph mit Oleg. Er würde diese Geste begreifen und schätzen.
    Sie wählte eine zweite Nummer. Diesmal führte sie das Gerät ans Ohr, lauschte kurz und sagte dann nur ein Wort:
    »Okay.«
    Nastja huschte zur Wohnungstür und lugte durch den Spion in den hell erleuchteten Vorraum. Sie musste nicht lange warten. Direkt gegenüber glitten die beiden Hälften der Fahrstuhltür auseinander. Nastja entriegelte das Sicherheitsschloss, öffnete und blickte ungeniert den beiden Männern entgegen, die aus dem Fahrstuhl auf sie zukamen.
    »Alles läuft…« begann Nastja – da spürte sie den ersten Stoß, sie geriet ins Taumeln, alles drehte sich plötzlich – ein zweiter Stoß, ein dritter… etwas lief an ihr herunter, warm wie ein Energiestrom! Dann lag sie plötzlich mit dem Gesicht auf dem Boden, der Teppich warm und rot – ich will keinen roten Teppich! schoss es ihr durch den Sinn, KEINEN ROTEN TEPPICH, VERDAMMT! Ihre Augen blickten starr durch feuchten Flor wie durch einen roten Dschungel.
    Und dann war da nichts mehr.

3.
    Früh am Morgen wehte eine leichte Brise von der Elbkante herüber, aprilfrisch und würzig, gereinigt von den Ausdünstungen der Menschen- und Automassen, die sehr bald schon wieder die Lufthoheit übernehmen
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