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Der Richter

Der Richter

Titel: Der Richter
Autoren: John Grisham
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fünfundzwanzig Millionen Dollar, wobei der genaue Preis davon abhängt, für welche der zahllosen Extras sich der Kunde entscheidet.
    Der Privatjet gehörte Lew dem Liquidator, der die Maschine aus der Konkursmasse einer der vielen glücklosen Firmen, die er als Unternehmensabwickler rupfte, herausgepickt hatte. Während Ray die Landung des Privatjets beobachtete, hoffte er einen Augenblick lang, die Maschine wür-de vor seinen Augen eine Bruchlandung hinlegen und auf der Rollbahn ausbrennen, damit er sich an dem Spektakel weiden konnte. Natürlich kam es nicht so. Als die Challenger auf das Privatterminal zurollte, saß Ray plötzlich in der Klemme.
    Seit ihrer Scheidung vor ein paar Jahren hatte er Vicki zweimal gesehen, und er war auf eine Wiederholung in diesem Moment absolut nicht scharf, weil er in einer zwanzig Jahre alten Cessna hockte, während sie gleich die Gangway ihres goldenen Privatjets hinabspazieren würde. Aber vielleicht war sie ja gar nicht an Bord. Möglicherweise kehrte Lew Rodowski nur von einem seiner skrupellosen Beutezüge zurück.
    Ray unterbrach die Treibstoffzufuhr, und der Motor erstarb. Während die Challenger weiter auf ihn zukam, versank er so tief wie möglich im Pilo-tensessel.
    Als der Privatjet etwa dreißig Meter von ihm entfernt eben zum Stehen kam, fuhr bereits ein glänzender schwarzer Suburban darauf zu. Ein bisschen zu schnell, mit eingeschaltetem Licht, ganz so, als wäre eben eine königliche Hoheit in Charlottesville eingetroffen. Zwei junge Männer in farblich aufeinander abgestimmten grünen Hemden und Baum-wollhosen sprangen aus der Limousine, um den Liquidator und alle, die sonst noch an Bord der Maschine waren, zu empfangen. Die Tür der Challenger öffnete sich, die Gangway wurde ausgefahren, und Ray beobachtete fasziniert über sein Instrumentenbrett hinweg, wie einer der beiden Piloten mit zwei großen Einkaufstüten in den Händen die Treppe hinab stieg.
    Dann folgte Vicki mit den Zwillingen, die mittlerweile fast drei Jahre alt waren: Simmons und Ripley, zwei arme Teufel, denen man ge-schlechtsneutrale Nachnamen als Vornamen verpasst hatte, weil ihre Mutter eine Idiotin war und ihr Vater vorher schon neun Kinder gezeugt hatte und es ihm mittlerweile wahrscheinlich egal war, wie seine Nachkommen hießen. Die Zwillinge waren Jungen. Ray wusste das, weil er im Lokalblatt die Seiten studiert hatte, auf denen Geburten und Todesfälle, aber auch Einbrüche und Ähnliches angezeigt wurden. Zur Welt gekommen waren sie im Martha Jefferson Hospital - sieben Wochen und drei Tage, nachdem die einvernehmlich vollzogene Scheidung der Atlees aktenkundig geworden war, und sieben Wochen und zwei Tage, nachdem die hochschwangere Vicki Lew Rodowski geehelicht hatte.
    Für den Liquidator war das bereits der vierte Gang zum Traualtar gewesen, wenn es denn auf der Pferdefarm einen gab.
    Die beiden Jungen an den Händen haltend, stieg Vicki vorsichtig die Gangway hinab. Die halbe Milliarde Dollar bekamen ihr gut - sie trug eine enge Designer-Jeans, und ihre langen Beine waren merklich schlanker geworden, seit sie zur Welt des Jetset gehörte. Tatsächlich wirkte Vicki fast wie verhungert - spindeldürre Arme, ein kleiner, flacher Hintern, ausgezehrte Wangen. Ihre Augen konnte Ray nicht sehen, weil sie hinter einer Wrap-around-Sonnenbrille verborgen waren. Ob die Brille aus Hollywood oder Paris stammte, konnte man sich aussu-chen, auf jeden Fall war sie der letzte Schrei.
    Dagegen hatte der Liquidator, der ungeduldig hinter seiner gegenwärtigen Frau und seinen Kindern wartete, ganz offensichtlich nicht am Hungertuch genagt. Angeblich lief er Marathon, aber das, was er den Journalisten erzählte, stimmte in der Regel so gut wie nie. Er war unter-setzt und dickbäuchig und hatte eine Halbglatze. Die verbliebenen Haare waren grau. Vicki war einundvierzig und ging für dreißig durch, Lew war vierundsechzig, wirkte aber mindestens wie siebzig. Zumindest erschien es Ray so, der das mit großer Befriedigung zur Kenntnis nahm.
    Als sie schließlich in der Limousine Platz genommen hatten, waren die beiden Piloten noch damit beschäftigt, Gepäck und große Einkaufstüten von Saks und Bergdorf in dem Suburban zu verstauen. Nur ein kleiner Shoppingtrip nach Manhattan - dauerte ja nur eine Drei-viertelstunde, wenn man eine Challenger sein Eigen nannte.
    Schließlich raste der Suburban davon. Die Show war vorbei, und Ray richtete sich in seiner Cessna wieder auf.
    Hätte er Vicki nicht so
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