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Der Regler

Der Regler

Titel: Der Regler
Autoren: Max Landorff
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Konturen der Gebäude. Rechts oben die dezent angestrahlte Kirche, von wo sie vorhin alles beobachtet hatte. Vor ihr die Piazza mit den Palmen, den Laternen, der Bar, den zwei Steinbänken. Links das Hotel
Torre Imperial
. Über allem die Häuser des Ortes, die sich an den steilen Berg schmiegten und mit ihm in der Dunkelheit verschmolzen. Die Luft war frisch und glasklar.
BR 69Q345.
Sie hörte Gabriel Tretjaks Stimme im Geiste, wie sie diese Buchstaben und Zahlen aufzählte. Plötzlich übersetzte ihr Gehirn die Stimme in geschriebene Zeichen. Von ihr selbst geschriebene Zeichen. Heute geschriebene Zeichen. Zeichen, die in ein Formular eingesetzt wurden.
    Und jetzt wusste sie, was es war. Es war der Code für die Transaktion, mit der sie heute Vormittag 1,2 Millionen Euro, Tretjaks Bargeld, nach Brasilien transferiert hatte. Sie spürte, wie ihr heiß wurde, wie ihre Gedanken rasten.
     
    Damals bei diesem Test im Ministerium, da ist das auch passiert, das mit den Gedanken, dieser Strudel. Dann hab ich dich angesehen Vater, und dann war es vorbei. Siehst du, ich bin ruhig. Ich bin ganz ruhig. Und ich bin die Beste.
     
    Sie holte ihr Handy heraus, wählte auf dem Display im Menü das Wort
Ende
aus. Sie ließ noch einmal den Anblick der Piazza auf sich wirken, dann drückte sie die Taste, die den Zündmechanismus auslöste.

11
    Mario Facchetti hatte seine Leute rund um die Piazza verteilt. Die Polizeifahrzeuge waren auf der Standspur im Tunnel unter der Kirche geparkt, wo man sie nicht sehen konnte. Einer der Männer stand rauchend vor der Bar, er hatte sich einen zivilen Mantel übergeworfen. Zwei andere waren im Hinterhof des Hotels postiert, einer oben an der Kirche. Der Maresciallo selbst stand mit einem zweiten Mann im offenen Wartehäuschen des Fähranlegers. Alles war dunkel hier, nach sieben Uhr abends fuhren die Fähren das kleine Maccagno nicht mehr an.
    Er hatte die Frau aus dem Hotel kommen sehen und seinen Mann angewiesen, sich zu ducken. Er selbst trat hinter einen Pfeiler. Das musste die verdächtige Person sein, die da auf ihn zukam, schließlich anhielt und sich umdrehte. Facchetti stand keine fünf Meter von ihr entfernt. Er öffnete das Lederhalfter seiner Dienstpistole. Die Frau sah zwar nicht so aus, aber sie sei überaus gefährlich, hatte es geheißen. Er beobachtete, wie sie auf ihrem Telefon herumdrückte, und entschied: jetzt. Er nickte seinem Kollegen zu, gemeinsam überbrückten sie sehr schnell die paar Meter und zogen dabei ihre Waffen.
    In Maresciallo Facchettis Protokoll sollte später stehen, dass Nora Krabbe alias Fiona Neustadt bei ihrer Festnahme keinerlei Gegenwehr geleistet hatte. Sie habe nur verwirrt und erstaunt gewirkt und immer wieder auf eine Taste ihres Handys gedrückt, bis man es ihr abgenommen hatte.

12
    Er sah den Kriminalbeamten Rainer Gritz schon von weitem vor dem Tor stehen. Der Mann war auch schwer zu übersehen. Er musste über zwei Meter groß sein. Wie ein kleiner Leuchtturm stand er da, den Kragen seines blauen Regenmantels hochgeschlagen. Gabriel Tretjak sagte dem Taxifahrer, er könne bei der Gestalt dort anhalten, es sei nicht nötig, auf das Klinikgelände zu fahren.
    Um 13 Uhr 20 war er am Flughafen Franz Joseph Strauss in München gelandet. Lufthansa LH 701 aus Bordeaux. Vom Flughafen in den Stadtteil Haar konnte man fast durchgehend die Autobahn benutzen. Mittags war kein dichter Verkehr, das Taxi hatte nur knappe 30 Minuten gebraucht. Es war ein diesiger Novembertag, ein Dienstag, nasskalt, unangenehm.
    Sechs Wochen waren seit Fionas Verhaftung in Maccagno vergangen. Sie waren nicht schnell vergangen, fand Gabriel Tretjak. Die neue Wohnung war bezogen, aber sie hatte keine Chance, das wusste er jetzt schon. Diese Wohnung war nur ein Übergang – von einer höchst unerfreulichen Lebensphase in eine hoffentlich bessere. Er wusste, dass er bald wieder ausziehen würde, auch wenn Stefan Treysa oft in den Sitzungen zu ihm sagte: »Du musst lange Brücken bauen in deinem Leben, nicht immer nur so kurze. Das ist wichtig.«
    Auch die Reise nach Frankreich war seine Idee gewesen. Eine Schnapsidee, wie sich herausgestellt hatte. Tretjak hatte ihm von der Erinnerung an einen Urlaub erzählt. Es war der einzige Urlaub, den die Familie Tretjak je gemeinsam verbracht hatte. Vater, Mutter, die zwei Kinder. Alle in einem großen orangefarbenen Zelt. Direkt am Meer, am Atlantik, hinter einer großen Sanddüne, mitten im Pinienwald. Lit-et-Mixe hatte der Ort
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