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Der Regler

Der Regler

Titel: Der Regler
Autoren: Max Landorff
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Sri-Lanka-Reise dort Station gemacht, und als sie hörte, dass ihr Vater geschäftlich in Indien zu tun haben würde, befand sie, dies sei eine gute Gelegenheit für ihn zu einer kleinen viertägigen Auszeit. Mal was anderes, Dad, als deine vollklimatisierten anonymen Hotels, mal was Neues, mal was nur für dich … Am Abend war er bester Laune ins Hotel zurückgekehrt.
    Nun saß er einem Fremden gegenüber, der ihm eröffnet hatte, dass seine Frau ihn verlassen wollte, besser gesagt, dass sie ihn schon verlassen hatte – und dass er dabei war, seinen Job zu verlieren. Die Firma, deren Vorstandsvorsitzender er war, stellte Kühlaggregate her. Der Deal mit Union Carry betraf einen elektronischen Steuerungschip, mit dessen Hilfe die Kühlaggregate weltweit kompatibler und konkurrenzfähiger würden. Das jedenfalls hatten ihm seine Experten versichert und in einer beeindruckenden Präsentation aufbereitet. Früher hatte es im Vorstand einen eigenen Posten für internationale Kooperationen gegeben. Aber im Zuge der Verschlankung im Personalbereich hatte man auch in der Unternehmensführung Zeichen setzen wollen und den Bereich dem Vorsitzenden zugeordnet, der sich auf seine Experten verlassen musste. Was verstand dieser Tretjak von Kühlaggregaten?
    »Ich habe in meiner Tasche ein paar Unterlagen, die Ihnen beweisen werden, was ich sage«, erklärte Tretjak. »E-Mails, Akten- und Telefonnotizen, Belege für geheime Treffen. Ich werde sie Ihnen hierlassen, Sie können sie in aller Ruhe lesen. Keine erfreuliche Lektüre. Ich schlage Ihnen jetzt eine klare Abmachung vor, Herr Schwarz.«
    Tretjak schob die Tischdecke etwas zur Seite, legte das Blatt Papier auf das Holz, um eine harte Unterlage zu haben, und zog mit dem Stift eine Linie auf der weißen Fläche, genau in der Mitte, von oben nach unten. »Auf der linken Seite dieses Papiers halten wir fest, was
Sie
tun werden«, sagte er. »Auf der rechten Seite halten wir fest, was
ich
tun werde. Lassen Sie uns bei Ihren Aufgaben anfangen.«
    Tretjak sprach jetzt sehr eindringlich, machte kleine Pausen zwischen den Sätzen, ließ sein Gegenüber nicht aus den Augen. Wenn er einen Punkt abgeschlossen hatte, notierte er ein paar Stichworte auf dem Papier.
    »Ihre Frau stammt aus Heidelberg, dorthin will sie zurück. Sie werden Ihrer Frau in Heidelberg einen kleinen Buchladen eröffnen, Schwerpunkt esoterische Fachliteratur. Dieser Laden wird voraussichtlich nie wirtschaftlich tragfähig werden, aber Sie werden Ihre Frau unterstützen und immer für ein kleines Auskommen sorgen. Das und eine kleine Wohnung in der Innenstadt, zwei Zimmer, Balkon, mehr wünscht sie sich nicht. Sie werden außerdem mit Ihrer Tochter sprechen, werden ihr erklären, dass ihre Eltern sich trennen, dass es im Guten geschieht, dass es kein böses Blut gibt. Ihre Anwälte werden die Scheidungspapiere vorbereiten. Und Sie werden Ihrer Frau einen Brief schreiben. Darin werden Sie ihr sagen, dass Sie ihr nicht böse sind, auch nicht deshalb, weil sie diesen Weg gewählt hat, um ihre Entscheidung durchzusetzen. Sie werden ihr schreiben, dass sie in Ihnen lebenslang einen Freund haben wird. Sie werden die beiden Pferde in Potsdam verkaufen, aber so, dass sie es gut haben, dass Ihre Frau die Tiere besuchen kann; Sie wissen, wie sehr sie an ihnen hängt. Sie werden mit Melanies Eltern reden, und Sie werden mit Ihren eigenen Eltern reden. Sie werden jetzt schon eine Familienfeier für Weihnachten vorbereiten. Vielleicht in dem wunderschönen Gut am Schalsee, das Ihre Frau so liebt. Alle werden anreisen und Heiligabend feiern, alle werden sich vertragen. Falls Sie bei irgendeinem dieser Vorhaben auf Probleme stoßen, was ich nicht glaube, werden Sie mich anrufen.«
    Die linke Hälfte des Papiers war jetzt voll. Fein säuberlich untereinander standen die Stichworte, davor jeweils ein waagrechter Strich. Tretjak beugte sich wieder zu seiner Tasche hinunter, entnahm ihr einen dunkelbraunen Aktendeckel, der mit einem Lederband verschnürt war, und legte ihn auf den Tisch. »Dies sind die Unterlagen, von denen ich gesprochen habe«, sagte er und griff erneut zum Kugelschreiber.
    »Mein Teil der Abmachung: Ich werde Ihren Job retten. Ich werde dafür sorgen, dass Ihre beiden Widersacher im Vorstand das Unternehmen verlassen. Dass der Aufsichtsrat wieder hinter Ihnen steht. Das wird natürlich nur funktionieren, wenn Sie genau tun, was ich sage.«
    Er schrieb auf die rechte Seite des Papiers:
Feinde eliminieren.
Und
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