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Der Regler

Der Regler

Titel: Der Regler
Autoren: Max Landorff
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schüttelte den Kopf. »Ich kenne Sie nicht, und ich wüsste nicht, worüber wir uns unterhalten sollten.«
    »Oh, Verzeihung, mein Name ist Tretjak. Wir werden uns über Ihr Leben unterhalten, Herr Schwarz. Ich bin gekommen, um es zu ändern. Mit Ihrer Hilfe natürlich.«
    Der Mann, der Schwarz hieß und über den Gabriel Tretjak mehr wusste als jeder andere in dessen Leben, wurde ungehalten. »Hören Sie, Sie müssen mich verwechseln. Ich denke nicht daran, mein Leben zu ändern. Und wenn, würde ich mich kaum mit Ihnen darüber unterhalten.« Ein amüsiertes Glitzern zeigte sich in seinen Augen, ein Zeichen, dass er wieder Sicherheit gewann. Ein Verrückter eben, den er da vor sich hatte, nichts weiter. »Wissen Sie, dieses Land bietet viele Attraktionen. Ich bin keine davon. Guten Abend.«
    Nach diesen Worten wandte er sich um zur Rezeption, nahm den Messingschlüssel mit der Nummer 7 von der Theke und war schon auf halbem Weg zur Treppe linkerhand, als Tretjak sagte: »Wenn Sie die Sache mit Union Carry nicht hinkriegen, werden Sie Ihren Vorstandsjob verlieren. Das sagt jedenfalls Ihr Aufsichtsrat.«
    Schwarz blieb stehen, drehte sich um, blickte Tretjak an.
    »Um 21 Uhr, Herr Schwarz«, sagte Tretjak. »Machen Sie sich keine Sorgen. Wir werden alles regeln.« Er wandte sich zum Rezeptionisten hinter der Theke: »Room number five, please.« Tretjak nahm den Schlüssel entgegen, lächelte Schwarz zu, der immer noch verblüfft dastand, und ging an ihm vorbei zur Treppe.
    Das war gut gelaufen, dachte er. Schwarz war irritiert genug. In seinem Zimmer würde ihm jetzt auffallen, dass seine Frau sich nicht gemeldet hatte, und er würde sie anrufen. Besser gesagt: Er würde versuchen, sie anzurufen. Dieser Versuch würde seine Irritation noch steigern. Denn unter der Handynummer seiner Frau würde er die Ansage hören: »Die von Ihnen gewählte Rufnummer ist nicht vergeben.« Und auf der Festnetznummer würde niemand abheben.
     
    Tretjak ging auf sein Zimmer, stellte seine Aktentasche ab, rückte einen Stuhl ans Fenster, setzte sich und schloss die Augen. Die Fenster in diesem Hotel hatten keine Scheiben, sondern nur Läden mit Holzlamellen. Man hörte die Geräusche von draußen, das Zirpen der Insekten, das Rufen der Kinder. Das
New Oriental
in Galle war ein gewisser Geheimtipp, ein altes Hotel im englischen Kolonialstil. Das große dunkelbraune Holzbett war bestimmt zweihundert Jahre alt. Es stand unter einem hohen Himmel aus gespannten Netzgardinen, die bis zum Boden reichten und die Moskitos abhielten. Tretjak würde dieses Bett nicht benötigen. Er stand auf, ging ins Badezimmer und nahm eine lange, kühle Dusche.
    Beim Blick in den Spiegel beschloss er, wieder mehr Sport zu machen. Jetzt, da der Sommer kam, konnte er in München von seiner Wohnung aus morgens wieder direkt zur Isar laufen, am Fluss entlang, dann über die Montgelasbrücke in den Englischen Garten und am Haus der Kunst vorbei zurück. Tretjak legte wert darauf, seine Figur zu halten. Er war jetzt 44 Jahre alt und trug seit über 25 Jahren unverändert Anzuggröße 50. Seine schwarzen Haare zeigten noch keine Anzeichen von Grau, und das würde vermutlich auch so bleiben. Die Haare hatte er von seiner Mutter geerbt, und in ihrer ganzen Familie gab es buchstäblich keine einzige graue Strähne. Tretjaks Haare waren dick, und er trug sie relativ lang. Jetzt waren sie nass, und er kämmte sie nach hinten aus der Stirn.
    Er nahm aus seiner Aktentasche ein Paar neue Unterhosen und zog sich wieder an. Eine dunkelblaue Hose aus Synthetic-Material, ein langärmliges beiges T-Shirt. Barfuß schlüpfte er in seine dunkelbraunen Slipper. Im Zimmer hatte sich inzwischen der Duft der aufgeschnittenen Papayafrüchte ausgebreitet. Sie waren auf einer flachen Schale drapiert, die auf dem Tisch stand. Tretjak setzte sich wieder auf den Stuhl am Fenster und überlegte, wie er das Treffen unten im Speisesaal eröffnen sollte. Er durfte das Tempo nicht verlieren, das er an der Rezeption vorgelegt hatte, er musste die Spannung hochhalten. Tretjak beschloss, etwas zu spät nach unten zu gehen und als Entschuldigung anzuführen: »Ich habe bis eben noch mit Ihrer Frau telefoniert, Herr Schwarz, und, nun ja, Sie kennen sie ja …«
    Vom ersten Gespräch hing viel vom Gelingen der Mission ab, das wusste Tretjak aus Erfahrung. Aber in diesem Fall schien ihm die Angelegenheit nicht besonders schwierig zu sein. Es handelte sich eher um einen Routineauftrag. Tretjak
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