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Der Raub des Wikingers

Der Raub des Wikingers

Titel: Der Raub des Wikingers
Autoren: Sandra Hill
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das würde er.
    Mit so viel Selbstbewusstsein wie möglich marschierte er zu Selik und erklärte: »Ich schätze, Adela und ich werden heute Abend mit Euch nach Hause gehen.« Es war nicht so, dass jemand ihnen das angeboten hätte, aber Adam hatte die Erfahrung gemacht, dass es manchmal besser war, selber den ersten Schritt zu tun.
    Selik machte ein Gesicht, als hätte er einen Frosch geschluckt. Sein höhnisches Gesicht verfärbte sich ins Grünliche.
    Aber er sagte nicht Nein, was Adam als gutes Zeichen ansah.
    Es sah ganz so aus, als sollten Adela und er eine Art Zuhause bekommen ... für eine Weile.
     
    Northumbria, A.D. 960 (dreiundzwanzig Jahre später)
    Adela war tot.
    Adam der Heiler sank auf die Knie und schlug sich gegen die Brust. Dann beschimpfte er sich selber, ohne darauf zu achten, ob ihn jemand in dem überfüllten Hospiz von Rainstead hören konnte. »Zwei Ziele habe ich im Leben gehabt - nur zwei: Adela zu beschützen und ein Heiler zu werden. Beide habe ich nicht erreicht.«
    Zum ersten Mal in seinen dreißig Lebensjahren weinte Adam. Er heulte seinen Kummer laut heraus und riss sich an den Haaren. »Ich sollte meiner geliebten Schwester in den Tod folgen, ich kann den Schmerz nicht ertragen.«
    »Nicht, Master, nicht solchen Frevel. Nur Allah oder Euer christlicher Gott darf Schicksalsentscheidungen treffen«, ermahnte sein Assistent Rashid ihn sanft und legte ihm tröstend die Hand auf die Schulter.
    Doch für Adam gab es keinen Trost.
    Er beugte sich über die Pritsche und drückte seiner Schwester einen Kuss auf die schon kalte Wange. Der Tod verlor keine Zeit, wenn der letzte Atemzug erst einmal getan war. Schon bald würde der Leichnam steif werden und die Haut die Farbe ändern. Er war Arzt und wusste das nur zu gut. »Leb wohl, süße Adela«, flüsterte er. »Vergib mir, dass ich zu spät gekommen bin .«
    Auf der anderen Seite kniete ein Mönch aus dem Münster von Jorvik und begann, Adela die letzte Ölung zu geben. Es war eine Routinehandlung, die der Mönch wieder und wieder vollzogen haben musste. Ließ sein Glaube denn nie nach? Fragte er sich nie, warum sein Gott so viele Unschuldige zu sich holte?
    Seufzend erhob sich Adam und folgte Rashid durch die Reihen von Pritschen, auf denen Dutzende von Menschen an der Seuche starben, die Jorvik seit ein paar Monaten heimsuchte. Die Zahl der Toten hatte bereits eine furchtbare Höhe erreicht.
    »Hilf mir, Heiler«, stöhnte ein Sterbender, als Adam vorbeikam.
    »Master Adam, Master Adam...«, schloss sich ein anderer an.
    »Ich habe Schmerzen«, jammerte eine Kinderstimme.
    Wieder und wieder riefen die Leidenden nach Adam und seiner Heilkunst, aber er hatte keine Kraft mehr, um ihnen zu helfen. Wenn er nicht einmal seine Schwester hatte retten können, wie sollte er sie dann heilen?
    Adam folgte Rashid nach draußen, wo die frische Luft seinen rauen Lungen gut tat. Doch die Erholung war von kurzer Dauer, denn als sein Blick das erste Mal nach fünf Jahren über Rainstead glitt, sah er nicht das Herrenhaus, das Waisenheim, die Weberstände, Ställe und das Hospiz ... alles Dinge, die Rain und Selik mit den Jahren für die Armen in Jorvik gebaut hatten. Was er sah, waren die Grabhügel, die für seine Stiefeltern aufgeworfen worden waren, die all ihren Besitz ihren angenommenen Kindern hinterlassen hatten; sie waren erst vor ein paar Tagen gestorben.
    Er trauerte tief um Selik, der Adela und ihn vor so vielen Jahren adoptiert hatte, und um seine Frau Rain, die viel mehr als eine Adoptivmutter für ihn gewesen war. Rain, die für ihre Heilkunst weithin berühmt war, hatte ihm alles beigebracht, was sie über Medizin wusste, und ihn ermutigt, zum Studium in den fernen Osten zu gehen, wo die arabischen Ärzte führend auf ihrem Gebiet waren. Rain und Selik hatten viele Jahre miteinander verbracht und waren beide über fünfzig gewesen. Adela war noch relativ jung gewesen - erst siebenundzwanzig.
    Wenn er doch nur nicht so lange weg geblieben wäre!
    Er hatte Rains Nachricht vor einem Monat erhalten, sie hatte ihn über die Seuche informiert und erzählt, wie viele Einwohner Jorviks und Kinder im Waisenhaus davon betroffen waren. »Komm nach Hause, Adam, du wirst hier gebraucht.«
    Da hatten sich Rain, Adela und Selik noch nicht angesteckt, aber er war dennoch so schnell wie möglich zurück gereist. Gleich nach Erhalt des Briefes hatte er den Kalifenpalast in Bagdad verlassen, wo er auf einer Konferenz von Ärzten aus dem Mittleren Osten war,
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