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Der Ramses-Code

Der Ramses-Code

Titel: Der Ramses-Code
Autoren: Michael Klonovsky
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uns die hieroglyphische Schreibweise von Herrschern vor Augen geführt, die wir bereits von Kindesbeinen an bewundern, und Sie sollten sich nicht als Haarspalter aufspielen.«
    Nun mischte sich Sacy ein. Der Orientalist erhob sich von seinem Stuhl – offenbar trug er sich mit dem Gedanken einerlängeren Ausführung – und sagte sehr salbungsvoll, aber zugleich etwas von oben herab: »Es ist sehr beeindruckend, was Monsieur Champollion uns heute dargeboten hat. Aber die Frage muß trotzdem gestattet sein, ob das hieroglyphische Alphabet, welches er aus den Kaisernamen gewonnen hat, für irgend etwas anderes taugt als eben dazu, Kaisernamen zu lesen. Wenn dem so ist, stellen Ihre Erkenntnisse, Monsieur Champollion, so großartig sie auch sein mögen, keine wirklich neue Qualität der Hieroglyphendeutung dar, sondern lediglich die Präzisierung jener Resultate, die wir Mister Young verdanken. Nach wie vor stehen die heiligen Texte der Ägypter als ein Rätsel vor uns, ein Rätsel, das Monsieur Champollion nun noch vergrößert, indem er, nachdem er sein Alphabet vorgestellt hat, behauptet, Hieroglyphen seien gar keine Buchstaben. – Können Sie uns das erklären?« schloß Sacy mit feinem Lächeln und nahm wieder Platz.
    Jean-François, wütend über die Einwände von Männern, die selbst nicht imstande waren, auch nur einen Cäsarennamen zu lesen, hatte sich entschieden, in die Offensive zu gehen.
    »Ich möchte auf die Vorhaltungen antworten«, erklärte er und zwang sich zur Ruhe. »Hieroglyphen sind nicht per se Buchstaben, sondern sie wurden sowohl lautlich als auch symbolisch gebraucht.«
    Wieder ging ein Raunen durch den Saal. Jean-François sah, daß Sacy, Europas berühmtester Orientalist, der soeben wohl noch geglaubt hatte, ihn mit seinen Einwänden zum Schweigen gebracht zu haben, staunend den Mund aufsperrte. Offenbar hatte er die Tragweite dieses Gedankens sofort begriffen.
    »Um Mister Youngs Bedenken auszuräumen: Ich befand mich im Laufe meiner jahrelangen Beschäftigung mit dem ägyptischen Schriftsystem mal auf dieser, mal auf jener Fährte. Einmal hielt ich die Hieroglyphen für Laute, einmal für Silbenzeichen, einmal für Bilder. Alle Spuren waren, wie ich heute weiß, sowohl falsch als auch richtig. Ihre Arbeit, Mister Young, ist vor einigen Jahren publiziert worden; wenn sie mich so grundlegend beeinflußt hätte, würde ich dann so viel Zeit benötigt haben, um zum Ziel zu gelangen?In Wahrheit hatte ich mir schon viel früher geschworen, meinen Weg allein zu gehen und mich nicht mehr um die Meinung anderer zu kümmern. Ihre ehrenwerten Forschungen, Mister Young, haben mich 1815 sowenig tangiert wie heute, ich mußte alles von Anfang an selbst herausfinden, denn sonst wäre ich, zusätzlich zu meinen, auch noch Ihren Irrtümern verfallen.«
    Er wischte hastig die Cäsarennamen von der Tafel, griff zur Kreide und sagte: »Am Morgen jenes Tages, der mir mit einem Schlag die Einsicht in die Funktionsweise des ägyptischen Schriftsystems und einigen der heute Anwesenden angesichts meines Heureka-Auftritts im Louvre den Eindruck bescherte, ich habe den Verstand verloren – obwohl genau das Gegenteil der Fall war: Ich hatte plötzlich alles begriffen –, an jenem Tag also erhielt ich durch Monsieur Denon dankenswerterweise einen ganzen Stapel neuer Kopien ägyptischer Tempelinschriften. Auf dem ersten Blatt fand ich, begleleitet von verschiedenen Langversionen, diese Kartusche:

    Wie wir gesehen haben, bedeuten die beiden letzten Zeichen, wenn man sie lautlich liest, ein Doppel-S. Der Kreis davor, überlegte ich, stellt er vielleicht die Sonnenscheibe dar? Sonne heißt auf Koptisch re , der Sonnengott der Ägypter heißt ebenfalls Re – oder Ra. Steht in diesem Namensring also vielleicht Ra– –s–s? Ramss? Ramesse? Ramses!«
    Erregtes Raunen im Saal. Diesen Namen kannte jedermann, der berühmte Pharao, von dem die alten Griechen berichteten und nach dem eine der beiden Städte benannt war, die in der Bibel als Fronort der Kinder Israels auftauchten.
    »Eine reine Vermutung«, knurrte Young.
    »Sie sagen es«, erwiderte Jean-François. »Deshalb griff ich zum nächsten Blatt. Auf jener Lithographie fand ich zahlreiche Kartuschen mit folgendem Kernbestandteil:

    Wie Sie wissen, ist der Ibis das heilige Tier des Gottes Thot. Der Name im Ring liest sich Thot–m–s. Ohne viel Phantasie erkennt man den Namen des Pharaos Thutmose, den Manetho zur 18. Dynastie rechnet. Anhand dieser beiden Namen
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