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Der Ramses-Code

Der Ramses-Code

Titel: Der Ramses-Code
Autoren: Michael Klonovsky
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nicht.«
    Im Saal herrschte atemlose Spannung; sie war beinahe körperlich spürbar.
    »Und nun erkläre ich Ihnen, wie die Ägypter römische Kaisernamen schrieben«, setzte Jean-François seine Ausführungen fort. »Sie werden feststellen, daß der uns geläufige Herrschername und seine ägyptische Schreibung oft erheblich voneinander abweichen. Es ist freilich etwas verwirrend, daß die Ägypter dieselben Namen mitunter verschieden buchstabierten und sich im Laufe der Zeit immer mehr bemühten, einzelne Vokale mitzuschreiben. Verbindliche Regeln scheinen sie, wie gesagt, nicht gekannt zu haben. Möglicherweise hat das bei den Alten den Eindruck hervorgerufen, man müsse ihre Schrift deuten. Beispielsweise verkörpern sowohl das Zeichenals auch das uns bereits bekannteden Buchstaben S.
    Die Majestät – beziehungsweise die Titulatur – die sich hinter diesen Zeichen verbirgt …

    … kennen Sie alle, es handelt sich um –«
    »Cäsar!« enfuhr es dem hünenhaften Belzoni, der sofort die Hand auf den Mund preßte und sich schamhaft umsah.
    »Exakt!« rief Jean-François. »Signore Belzoni hat das Hieroglyphen-Alphabet sofort begriffen und seinen großen Landsmann erkannt. Das K aus ›Alexander‹, das S aus ›Ptolemaios‹, das R aus ›Autokrator‹ oder ›Kleopatra‹ ergibt dieFolge KSRS. Die Zeichenbedeuten in diesem Falle also wieder E wie bei ›Ptolmes‹. Kesrs. Kaisaros. Cäsar. Wie bei Alexandros handelt es sich um die griechische Version des Namens.«
    »Faszinierend«, hörte er Sacy sagen, er sah das begeisterte Gesicht von Jacques-Joseph, sah Belzoni strahlen wie ein beschenktes Kind, sah die beeindruckten, aufmunternden Mienen der Zuhörer, Jomard ausgenommen, der griesgrämig, Quatremère, der giftig, Langlès, der abwesend dreinschaute, und er wußte, daß er sie alle überzeugt hatte – nur einen nicht, Thomas Young, der sich auf die Lippe biß und mit den Augen rollte. Also weitere Beweise, dachte er sich, wischte die Tafel ab, schrieb neue Namenskartuschen von römischen Imperatoren, die, als Regenten der antiken Welt, auch über das Nilland herrschten, an die Stelle der vorigen – und die Übersetzungen gleich daneben:

    »In diesem Namensring«, fuhr der Redner fort,

    »steht also geschrieben: ›Trajanus Cäsar‹, dahinter folgt das königliche Epitheton, das wir aus der Ptolemaios-Kartusche kennen und das ich als Synonym für ›ewig lebend‹ identifiziert habe, kurzum, es heißt: ›Kaiser Trajan, der ewig Lebende‹.«
    Nun brandete erstmals Beifall auf. Irgendwer hatte zu applaudieren begonnen, Belzoni oder Denon, vielleicht auch Fourier, und die meisten der Zuhörer schlossen sich an. Young allerdings rührte keine Hand und sagte statt dessensehr eisig: »Merkwürdig, Monsieur Champollion, daß Sie in Ihrem Ägypten-Buch behauptet haben, die Hieroglyphen seien Symbole und keinesfalls Zeichen für Laute.«
    »Ich habe mich geirrt. Das ist Jahre her. Worauf wollen Sie hinaus?« erwiderte Jean-François, der freilich ganz genau wußte, worauf sein geschlagener Kontrahent hinauswollte: Wenn er die Hieroglyphen schon nicht lesen konnte, wollte er doch wenigstens das Urheberrecht für den Lösungsweg.
    »Und daß Sie diesen Irrtum nun plötzlich korrigieren und Ihre Ansicht geradezu diametral ändern, das soll gar nichts mit meiner Entdeckung zu tun haben, daß Hieroglyphen Buchstaben sind?«
    »Mister Young, erstens habe ich nichts plötzlich korrigiert, zweitens sind Hieroglyphen keineswegs Buchstaben –«
    »Ha! Und Ihre Kaisernamen-Deutung, die sie soeben vorstellten? Jede Hieroglyphe ein Buchstabe.«
    Im Saal kam Unruhe auf. Champollion war in die Enge getrieben.
    »Vielleicht«, ließ sich Quatremère vernehmen und reckte höhnisch-herausfordernd das Kinn, »hat Monsieur Champollion gar nicht mehr zu bieten als diese Kaisernamen? In seiner Vortragsankündigung war schließlich von nichts anderem die Rede. Wenn er nun behauptet, Hieroglyphen seien keineswegs Buchstaben, gibt er nur einem Gedanken Ausdruck, den Professor Young bereits vor Jahren formulierte: daß nämlich ausschließlich die Namen fremder Eroberer von den Ägyptern lautlich geschrieben wurden. Das ist nun nichts wirklich Neues.«
    »Meine Herren, ich finde es unpassend und nicht sehr gentlemenlike, daß Sie aus dem Vortrag eine Diskussion machen wollen«, warf sich Denon in die Bresche. »Monsieur Champollion hat uns heute Erkenntnisse präsentiert, von denen niemand in diesem Kreis eine Ahnung hatte, er hat
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