Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ramses-Code

Der Ramses-Code

Titel: Der Ramses-Code
Autoren: Michael Klonovsky
Vom Netzwerk:
sie ›Haus‹ schreiben, malten sie den Grundriß eines Hauses. Die Mehrzahl, Häuser, schrieben sie so:

    Viele Zeichen auf dem Rosette-Stein besitzen ohne Zweifel reinen Bildcharakter, beispielsweise wenn dem griechischen Wort für Statue im hieroglyphischen Text das Bild einer Statue entspricht. Mister Young hat außerdem zu Recht vermutet, daß›Gott‹ bedeutet. Ich habe lange gegrübelt, ob es möglich sein könnte, daß die Ägypter für denselben Begriff beides verwendet haben: Ideogramme und Phonogramme,Bilder und ausgeschriebene Worte. So findet man auf dem Rosette-Stein auch diese Gruppe:

    Koptisch heißt Statue beziehungsweise Götterbild twot , das Zeichenbedeutet bekanntlich T. Da die Ägypter die Vokale in der Regel nicht mitschrieben, heißt die Gruppe TWT, und damit sie lesbar war, wurde sie determiniert mit dem Symbol der Statue. Weil sie nur ein Skelett der Wörter gibt, bezeichne ich die ägyptische Schrift als halb-alphabetisch. Aber das lautliche Prinzip stellt, bei aller Symbolik, ihre Seele dar.«
    »Das ist doch reine Willkür!« unterbrach Quatremère den Redner. »Warum sollte eine Schrift so umständlich funktionieren?«
    »Sie dürfen nicht vergessen, daß wir uns in den Urgründen der menschlichen Schrift befinden«, erwiderte Jean-François seelenruhig. »Das Prinzip will ich Ihnen erklären. Hinter identischen Konsonantenfolgen können sich oft verschiedene Begriffe verbergen. Wenn wir beispielsweise die Worte Kehle, Kohle und Kohl ohne Vokale schreiben müßten, stünde jeweils die Konsonantenfolge KHL auf dem Papier. Man könnte nicht unterscheiden, was gemeint ist. Determiniere ich KHL mit dem Symbol eines menschlichen Kopfes oder einer Spitzhacke oder einer Pflanze, weiß der Leser, welche Version Kehle, welche Kohle, welche Kohl bedeutet. So verfuhren die Ägypter, das ist der Sinn ihrer Deutzeichen. Die Determinative besitzen keinen eigenen Lautwert, sondern dienen allein zur Präzisierung der Wortbedeutung. Auf dem Tierkreis von Dendera etwa entdeckte ich, daß hinter allen Bezeichnungen der einzelnen Sternbilder jeweils das Zeichen des Sterns steht. Damit ist Fehlinterpretationen ein Riegel vorgeschoben.«
    »Und die Ägypter haben das alles miteinander vermengt?« fragte Jomard, der Fehldeuter von 1809, aber es klang nachdenklich, nicht boshaft. »Warum haben sie nicht, nachdem sie einmal das Prinzip der Buchstaben erkannt hatten, ihre Schrift auf ein Alphabet gegründet?«
    »Ich bin kein Hellseher, Monsieur, ich weiß nicht, warum. Ich weiß nur, daß sie es so getan haben. Sie könnten mich ebensogut fragen, wie sie ihre Pyramiden errichtet haben, auch das ist mir nicht bekannt, und ich weiß nur, daß sie es getan haben, denn sie stehen ja unübersehbar am Nil. Die alten Ägypter waren gewiß ein sehr beharrliches Volk, anders übersteht eine Kultur nicht die Jahrtausende. Mit ihrer Schrift mögen sie es ähnlich gehalten haben. Warum ein bewährtes System ändern? Es hätte zudem eine gewaltige Verarmung bedeutet, die zauberhafte Vielfalt Hunderter heiliger Schriftzeichen auf ein läppisches Alphabet mit zwei Dutzend Buchstaben zu reduzieren – ebenso wie es eine Verarmung bedeutete, den heiter-schillernden Himmel der antiken Götterwelt zugunsten des einen Gottes auszufegen. Wer weiß, was sie noch alles in diesen Zeichen gelesen haben, jenseits der reinen Schriftbedeutung? Der Vorteil einer rein alphabetischen Schreibweise war den Ägyptern jedenfalls nicht geläufig, möglicherweise haben wir ihnen die alphabetische Schrift zu danken; sie selbst kamen noch nicht dorthin. Wenn eine Kultur tot ist, ist auch ihre Seele gestorben; kein Lebender kann sie mehr hundertprozentig verstehen.«
    »Entschuldigen Sie, Monsieur Champollion«, meldete sich Belzoni zu Wort, »wenn ich Sie jetzt unterbreche, dann nicht, wie die anderen Herren, um Ihnen Vorhaltungen zu machen und den Ungläubigen zu spielen – mich haben Sie längst überzeugt. Ich habe nur eine Frage, in meinem ureigensten Interesse. Sie sagten mir, Sie seien der Meinung, daß jenes Grab, dessen Faksimile ich in London ausgestellt habe und nun hier in Paris präsentieren will, nicht das des Pharaos Psammetich sei. Wie haben Sie das herausgefunden? Wissen Sie am Ende gar, um wessen Grab es sich handelt?«
    Jean-François lächelte; dann antwortete er: »Gestatten Sie mir, etwas auszuholen. Die Ägypter schrieben auch ihre Pharaonen teilweise rein lautlich. Meine koptische Umschrift dieses Namens, der auf einem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher