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Der Ramses-Code

Der Ramses-Code

Titel: Der Ramses-Code
Autoren: Michael Klonovsky
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nicht.
    »Diese Einsicht brachte mich zunächst vom Prinzip der Symbolschrift ab. Ich lernte über immer neue Transskriptionen zwischen den einzelnen Schriften, zum Beispiel den Namen Kleopatra auf demotisch, hieratisch und in Hieroglyphen zu schreiben. Allerdings besaß ich keine Bestätigung meiner Ergebnisse und mußte warten, bis eine archäologische Entdeckung gemacht werden würde. Ich fand sie in der Inschrift des Obelisken von Philae, den Signore Belzoni in London ausstellte. Als ich die Namenskartusche der Kleopatra erstmals sah und in ihr die mit der hieroglyphischen Schreibweise des Ptolemaios übereinstimmenden Buchstaben P, T, L und O entdeckte, wußte ich, daß die Ägypter für die Namen fremder Herrscher ein reguläres Alphabet verwendeten. Ein reguläres Alphabet mit einer irritierenden Besonderheit: Mitunter drücken verschiedene Zeichen denselben Laut aus.«
    »Pardon, Monsieur Champollion«, meldete sich jetzt Thomas Young, dessen Wangen glühten, mit seiner metallischklaren Stimme in perfektem Französisch zu Wort, »ich weiß, daß es sich nicht schickt, einen Vortragenden zu unterbrechen, aber ich habe den Verdacht, daß Sie auf dem Wege sind, sich mit fremden Federn zu schmücken, was zu verhindern die Aufgabe eines Mannes von Stil ist, selbst auf die Gefahr hin, es in stilloser Weise zu tun. Aber wollen Sie im Ernst behaupten, das sei Ihre Entdeckung?«
    Alle hatten auf den Gast aus London gestarrt, nun flogen die Blicke wieder zum Redner.
    »Nein«, erwiderte Jean-François, dem klar war, worauf der Physiker insistierte, »daß die Ägypter ein Alphabet besaßen, hat bereits Plutarch überliefert, und den kann sich jedermann in der Bibliothek ausleihen. Es mußte nur die Frage beantwortet werden, welche von den mehreren hundert Hieroglyphen dafür in Betracht kamen.«
    »Es war meine Entdeckung«, sagte Young betont kühl. »Ich habe die ersten Namen entziffert, ich habe, als erster seit anderthalb Jahrtausenden, wieder Hieroglyphen gelesen –«
    »Oh, das haben schon viele von sich behauptet«, entgegnete Jean-François, hob abwehrend die Hände und warf Jomard, der ihm seinerzeit die Einsicht in die Unterlagen der ägyptischen Kommission verweigert hatte, einen so spöttischen Blick zu, daß dieser errötete. »Aber etwas von sich zu meinen ist nicht dasselbe, wie es tatsächlich vollbracht zu haben. Ich kann Ihre Selbsteinschätzung in diesem Punkte nicht teilen, so bedeutend Ihre Leistungen auf anderen wissenschaftlichen Gebieten auch sind.«
    Gemurmel im Publikum.
    »Sie wollen also bestreiten, daß ich zuerst die Namen Ptolemaios, Berenike und Arsinoë gelesen habe?« erwiderte Young kampfeslustig.
    »Sie haben sie falsch gelesen, Mister Young, ich neige sogar zu der Ansicht, Sie haben lediglich geraten. Jedenfalls konnte ich Ihren Untersuchungen nicht entnehmen, daß Sie das Prinzip der Hieroglyphenschrift erkannt haben.«
    »Das ist starker Tobak«, brummte Sacy, mehr zu sich als an den Redner gewandt.
    »Aber Sie kennen das Prinzip? Das müssen Sie beweisen«, forderte Young, nun gar nicht mehr kühl, mit böse funkelnden Augen.
    »Deswegen stehe ich hier«, versetzte Jean-François und straffte den Rücken. »Um ohne Umschweife zur Sache zu kommen: Es war, mit Verlaub, naiv zu glauben, der griechische Name Ptolemaois mit seinen vier Vokalen o, e, a und i werde im Ägyptischen genauso buchstabiert. Sie haben die Vokalunterdrückung der orientalischen Sprachen nicht in Rechnung gestellt. Die dem Griechischen am nächsten stehendeSchreibung lautet ›Ptolmys‹ oder ›Ptolmes‹. Ich werde Ihnen anhand weiterer fremder Königsnamen, insbesondere der römischen, darlegen, wie kompliziert es für die Ägypter war, ihr schwerfälliges, zumeist ohne Vokale operierendes Schriftsystem den fremden Namen anzupassen. Zunächst aber zu den Befunden von Professor Young.«
    Er ergriff ein Kreidestück und warf mit so hastigen wie geübten Strichen die hieroglyphische Schreibung der Namen Ptolemaois, Berenike und Kleopatra an die hinter ihm stehende Tafel. Darunter schrieb er die Interpretation Youngs – freilich ohne Kleopatra, denn diesen Namen hatte der Engländer nicht deuten können – und unter diese wiederum seine eigene.

    »Sie sehen am Beispiel des von Ihnen nicht identifizierten Namens der Kleopatra, daß Ihre Schlüsse unrichtig waren«, fuhr er währenddessen fort. Young verfolgte die Kreidestriche seines Konkurrenten mit nervösem Blick und sagte: »Das sind Ihre Versionen, und
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