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Der Ramses-Code

Der Ramses-Code

Titel: Der Ramses-Code
Autoren: Michael Klonovsky
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Bruders erkundigte, bat Jacques-Joseph die Herren herein.
    »Er schläft die ganze Zeit«, sagte er leise, »er hat heute das erste Lebenszeichen von sich gegeben und nach Wasser verlangt.«
    »Was sagt der Arzt?« fragte Fourier mit besorgter Miene.
    »Es war ein Schlaganfall«, antwortete Jacques-Joseph.
    »Können wir Ihren Bruder wenigstens sehen?«
    »Ich weiß nicht«, entgegnete Jacques-Joseph unschlüssig, da hörte er hinter der Tür leise seinen Namen rufen.
    Hektisch öffnete er, und die Herren folgten ihm unaufgefordert, musterten erstaunt die über und über mit Hieroglyphen bemalten Wände und blieben vor dem Bett stehen. Der Vorhang war halb zugezogen; durch den offenen Spalt fiel ein Sonnenstrahl auf Jean-François’ Gesicht, der ihn blinzeln ließ. Sein Blick, matt und trübe, aber ohne jede Spur von Irresein, fiel auf die Eintretenden.
    »Du hast Besuch, Jean-François«, flüsterte Jacques-Joseph, »die Herren wollen sich nach deinem Befinden erkundigen. Wie geht es dir?«
    Jean-François nickte und versuchte sich aufzurichten. Ehe sein Bruder ihm helfen konnte, war Belzoni hinzugesprungen, hob den Oberkörper des Kranken ohne jede Mühe an, stopfte ihm das Kissen in den Rücken und sagte: »Ich habe schon viel von Ihnen gehört, Monsieur Champollion, und ich bin beglückt, einen Mann kennenzulernen, der mit so großer Leidenschaft die Schrift der alten Ägypter erforscht wie ich ihre Kunstdenkmäler.«
    »Dann sind Sie bestimmt Giovanni Belzoni«, erwiderte Jean-François mit heiserer Stimme auf italienisch, und Jacques-Josephs Herz klopfte heftig bei diesen Worten. Er war klaren Kopfes, er sprach, sogar italienisch, und identifizierte auf Anhieb den berühmten Nilreisenden und Abenteurer, den er nie zuvor gesehen hatte. Sein Verstand funktionierte!
    Belzoni war gerührt, daß ihm in seiner Muttersprache geantwortet wurde, und drückte dem Kranken die Hand. »Woher wissen Sie, wer ich bin?« fragte er.
    »Sie sehen heißt Sie erkennen«, antwortete Jean-François noch etwas undeutlich, »es gibt meines Wissens lediglich einen leibhaftigen Riesen, der Ägypten erforscht. Ich sah auch die Schiffe mit Ihren Grab-Faksimiles zum Louvre fahren. Wie bezaubernd! Nun kommen Sie mich besuchen –« Er stockte und schwieg. Ersichtlich bereitete das Sprechen ihm Mühe.
    »Sie müssen schnell wieder auf die Beine kommen«, sagte der Italiener, »Sie dürfen schließlich nicht fehlen, wenn Ihr Bruder und ich den Parisern das alte Ägypten präsentieren.«
    Jean-François nickte. »Ich bin nur so schwach«, hauchte er, »mir ist, als wäre ich innerlich explodiert.«
    »Dann sollten Sie sich schonen, und wir wollen nicht länger stören«, gebot Fourier. »Leben Sie wohl, und werden Sie schnell gesund.«
    Denon, dem anscheinend eine Frage auf dem Herzen lag, fügte sich seufzend und wandte sich unter Genesungswünschen ebenfalls zum Gehen. »Geben Sie mir Bescheid, wenn Sie etwas benötigen«, flüsterte er im Hinausgehen zu Jacques-Joseph.
    »Signore Belzoni!« rief Jean-François in diesem Augenblick angestrengt und heiser.
    »Ja bitte?« Der Italiener blieb stehen.
    »Es ist nicht das Grab von Psammetich.«
    Belzoni riß die Augen auf, und auch die anderen standen starr.
    »Wie bitte?«
    »Young hat Ihnen Unsinn gedeutet.«
    Der Riese schluckte, holte tief Luft und fragte: »Sind Sie sicher? Ich meine: Woher wollen Sie wissen …«
    Doch Jean-François antwortete nicht. Sein Kopf sank auf das Kissen zurück, und die Augen fielen ihm zu, so daß vier nachdenkliche Herren das Zimmer verlassen mußten.
    Als Jacques-Joseph an die Schlafstatt seines Bruders zurückkehrte, hatte der die Augen wieder geöffnet.
    »Kannst du mich hören?« fragte der Ältere.
    Jean-François nickte.
    »Was hast du gemeint mit: Ich hab’s?«
    »Ich hab’s.«
    »Sag mir bitte, was du herausgefunden hast!« beschwor ihn Jacques-Joseph.
    »Nimm dir Papier, und setz dich an mein Bett. Ich habe dir etwas zu diktieren«, entgegnete Jean-François, leise, aber gebieterisch, und er schenkte seinem Bruder einen so selbstgewissen Blick, daß dieser, ohne eine Sekunde zu zögern, seiner Aufforderung folgte.

46
    Der Vorlesungssaal der Inschriftenakademie war an diesem Freitagabend bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Kunde hatte sich schnell verbreitet, daß der ehemalige Grenobler Professor Champollion, einst Schüler Silvestre de Sacys, inzwischen begnadigter Hochverräter, von sich behauptete, ihm sei die Entzifferung der Hieroglyphen
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