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Der Rache dunkle Saat - Booth, S: Rache dunkle Saat - One Last Breath

Titel: Der Rache dunkle Saat - Booth, S: Rache dunkle Saat - One Last Breath
Autoren: Stephen Booth
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selbst seine Entlassungsbekleidung zu weit und zu steif war, um bequem zu sein. Er hatte in den vergangenen vierzehn Jahren abgenommen, und sein Körper hatte sich verhärtet, als sei eine Hornhaut auf ihm gewachsen, die auch sein Herz überzogen hatte.
    Hinter dem Pförtnerhaus drehte er sich um und warf einen letzten Blick zurück. Auf einem mit Blumen bewachsenen Wall
stand ein weißes Schild mit der Aufschrift Betreuter Gewahrsam und der Philosophie der Institution: Der Rehabilitation und Wiedereingliederung von Häftlingen verpflichtet .
    Halb neun war die Zeit für den allmorgendlichen Abtransport von Häftlingen zum Gericht. Genau in diesem Moment bog ein Gefangenentransporter, der mit seinen vergitterten Fenstern und verstärkten Türen aussah wie ein gepanzerter Mannschaftstransportwagen, durchs Tor ein und hielt vor der Bremsschwelle an. Als Quinn auf den Rasen trat, um ihn vorbeifahren zu lassen, warf ihm der Fahrer einen argwöhnischen Blick zu, obwohl der Transporter an diesem Morgen noch leer war und seine Gitterzelle nach zu viel Desinfektionsmittel roch.
    »Ich bin in einer Stunde oder so zu Hause. Und ich kann’s kaum erwarten. Was ist mit dir?«
    Der Mann, der neben Quinn in Gleichschritt fiel, war ungefähr Mitte zwanzig und damit mindestens zwanzig Jahre jünger als er selbst. Er hatte kurzes, gegeltes Haar und eine Tätowierung seitlich am Hals, und er sah frisch rasiert und gewaschen aus. Er hätte sich an einem Samstagabend in der Stadt unter jede beliebige Gruppe junger Männer mischen können – was er am heutigen Abend auch bestimmt noch tun würde.
    »Bei mir wird es etwas länger dauern«, erwiderte Quinn.
    »Hm?«
    »Etwas länger, bis ich zu Hause bin.«
    »Oh? Du klingst aber, als wärst du aus Derbyshire.«
    »Genau das bin ich auch.«
    »Aha.«
    Doch Quinn war in Wales geboren worden. Dort hatten Mohnblumen seine Sommer gefüllt. Er vermutete, dass sie sich unter die Samen gemischt hatten, die die Bauern aussäten, oder verborgen im Boden schlummerten, bis sie vom Pflug geweckt wurden. Dann blühten sie, bevor der Weizen reif war, und gediehen
heimlich zwischen Saat und Ernte. Für den jungen Mansell Quinn war der Anblick dieser Mohnblumen wie ein kurzes Sichtbarwerden des Bösen, das dort existierte, wo es nicht existieren sollte.
    Nachdem sich sein Vater jedoch eine neue Stelle als Förster auf einem Landsitz in der Nähe von Hathersage gesucht hatte, war seine Familie nach Norden ins Hope Valley gezogen. Zwischen den Sandsteinhügeln und Schiefertälern des Dark Peak gab es keine Getreidefelder.
    Der junge Mann lachte. »Soll das heißen, du lässt die alte Heimat gleich hinter dir? Das kann ich dir nicht verdenken, Mann. Ganz und gar nicht.«
    Quinn hatte keine Ahnung, wer der Bursche war. Trotzdem standen sie sich in gewisser Weise ebenso nahe wie Brüder. Bestimmte Dinge schufen eine Verbindung – Bande, über die man in den wenigen Minuten zwischen dem Gefängnistor und der Außenwelt nicht zu sprechen brauchte.
    »Hast du jemanden, der zu Hause auf dich wartet?«, fragte Quinn.
    »Und ob. Ich hab ihr versprochen, dass wir heiraten, wenn ich rauskomme. Das ist auch gut so, den Kindern zuliebe. Wir haben vom Sozialamt ein Haus gekriegt.«
    »Glück gehabt.«
    »Ja. Ich geh da nicht mehr zurück, so viel ist sicher.«
    Quinn hatte aufgehört zuzuhören. Seine Gedanken waren bei einem anderen Haus und einer anderen Familie.
    »Manchmal«, sagte er, »muss man zurückgehen.«
    »Man muss was? Was soll das heißen? Du weißt doch gar nichts über mich, Mann.«
    »Nein«, entgegnete Quinn. »Nichts.«
    Der Unmut des jungen Mannes legte sich wieder. Es war nur die Anspannung, die von der Furcht vor dem Ungewissen herrührte.
    »Ich bin Rick. Und du?«

    »Quinn.«
    »Ich glaub, ich hab dich schon mal gesehen. Aber ich hab noch nie mit dir geredet.«
    »Dann nutz die Gelegenheit.«
    Die beiden gingen vom Tor über die Straße. Es war eine Sackgasse, die nur zum Gefängnis führte und beim Bau der Umgehungsstraße von Sudbury angelegt worden war. Vor ihnen lag der Eingang zu einer betonierten Unterführung.
    »Und, wo willst du hin?«, erkundigte sich Rick.
    »Burton on Trent. Irgendein Wohnheim, das mein Bewährungshelfer ausgesucht hat.«
    Die Unterführung, ein düsterer Tunnel, der auf einen Fleck Licht zuführte, war feucht und stank. Ihre Stimmen hallten von den Wänden wider, während der unbefestigte Boden das Geräusch ihrer Schritte dämpfte.
    »Morgen früh«, sagte Rick,
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