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Der Rabbi schoss am Donnerstag

Der Rabbi schoss am Donnerstag

Titel: Der Rabbi schoss am Donnerstag
Autoren: Harry Kemelman
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Neue Frau. Und lud mich zu einem Auftritt in seiner Sendung ein. Na ja, und damit hatte ich meinen Start.»
    «Dann waren ich und das Kind nur Stufen für deinen Aufstieg.»
    «So ungefähr.»
    «Na schön, aber was ist jetzt? Und in der Zukunft?»
    «Was soll da sein?»
    «Ich habe schließlich auch Anteil an dem Kind. Billy ist genauso mein Sohn wie deiner.»
    «Nein, Ell, du hast überhaupt keinen Anteil an ihm. Was willst du denn? Zu seinem Unterhalt beitragen? Das brauche ich nicht.»
    «Ich möchte mithelfen, bei seiner Erziehung, seiner Ausbildung. Ein Junge braucht einen Mann, zu dem er aufsehen kann, ein Vorbild. Darin sind die Psychologen sich einig.»
    «Wahrscheinlich nur die männlichen Psychologen», entgegnete sie.
    «Selbst wenn wir nicht heiraten, könntest du mit ihm nach Barnard’s Crossing kommen und mich besuchen. Und wenn er älter wird, kann er mich in den Sommerferien besuchen.»
    «Nein, Ell. Ich will nicht, dass er erfährt, dass du sein Vater bist.»
    «Aber früher oder später wirst du es ihm sagen müssen. Er wird Fragen stellen.»
    «Selbstverständlich, aber ich habe mich darauf vorbereitet. Ich habe mir einen wunderbaren Vater für ihn ausgedacht, einen Idealisten, einen Soldaten, der in den Krieg gezogen ist …»
    «In welchen Krieg?»
    «Tja, das war natürlich schwierig, weil es in letzter Zeit keine Kriege mehr gegeben hat. Wenigstens keine, in die wir verwickelt waren. Sicher, es gibt immer irgendwelche Militäraktionen, an denen Söldner teilnehmen. Aber das wollte ich nicht. Und dann dachte ich an das Suez-Unternehmen der Engländer, Franzosen und Israelis. Das war zwar vorüber, bevor Billy geboren – sogar gezeugt – wurde, aber im Mittelosten gibt es doch ständig inoffizielle Kämpfe. Also erfand ich einen jungen Israeli, der zum Studium nach New York gekommen war. Wir lernten uns kennen und verliebten uns ineinander. Dann musste er nach Israel zurück. Ich sollte nachkommen, und wir wollten dort unten heiraten.»
    «Aber er fiel bei einer Kampfhandlung?»
    «Genau. Deswegen blieb ich hier und brachte mein Kind hier zur Welt.»
    Wenn er später darüber nachdachte – und in seiner Einsamkeit in Barnard’s Crossing tat er das oft –, schien es ihm manchmal, dass sie keineswegs gleichgültig und desinteressiert gewesen sei; dass sie im Gegenteil rachsüchtig gewirkt und sich die größte Mühe gegeben hatte, ihm wehzutun. Und er neigte dazu, ihre Haltung als Hinweis darauf zu interpretieren, dass sie im tiefsten Innern immer noch ein Gefühl für ihn hegte, dass sie womöglich hoffte, ihn provozieren zu können, damit sie Versöhnung feiern konnten. Als er das nächste Mal nach New York kam und sich mit ihr verabredete, war dieser Gedanke immer präsent. Und wich auch nicht völlig bei all den weiteren Begegnungen im Laufe der Jahre.
    Es gab allerdings auch Zeiten, da er über ihre Kälte, ihren Mangel an Gefühl grübelte. Dann war er der Meinung, sie versuche sich zu rächen und sei nur deswegen einverstanden, sich mit ihm zu treffen, wenn er in New York war, damit sie voller Genugtuung erleben konnte, wie er litt.
    Andererseits freute sich Billy offenbar, wenn er kam. Gewiss, er brachte ihm immer Geschenke mit, aber er war überzeugt, dass der Junge ihn aufrichtig gern hatte.
    Immer, wenn er versuchte, sich in Billys Erziehung einzumischen, wies sie ihn schroff zurück und weigerte sich, seine Ratschläge anzunehmen oder auch nur seine Besorgnis anzuerkennen. Und das tat weh. Sie berichtete von den Fortschritten des Jungen in der Schule oder von Problemen, die auftauchten, aber sie tat das, als hätte sie einen flüchtigen Bekannten vor sich, und nicht einen Mann, der ein ganz persönliches Interesse daran hatte.
    Bei Jordons jüngstem Besuch jedoch schien sie geneigt, ihm einen Anteil an ihrem Sohn zuzugestehen. Anscheinend war es zu einer Krise gekommen, und ihr Vertrauen in ihre Fähigkeit, allein damit fertigzuwerden, war schwer erschüttert.
    «Er will nicht aufs College!», klagte sie voller Verzweiflung.
    «Was ist denn daran so tragisch?», entgegnete er. «Was will er denn stattdessen tun?»
    «Gar nichts. Er hat keine Pläne. Er interessiert sich für nichts. Er liest nicht. Er tut überhaupt nichts. Er hängt nur rum.»
    «Wahrscheinlich hat er die Nase voll von der Schule und vom Lernen. Vielleicht hast du ihn zu energisch angetrieben, damit er gute Noten bekommt und in einem guten College aufgenommen wird, und er hat die Bücher gründlich satt. Warum
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