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Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau
Autoren: R. Scott Bakker
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»hat vom Tod deines Königs erfahren und sagt: ›Es ist vollbracht.‹«
    Nautzera stand auf und schleuderte dem Scheusal mit den goldenen Hörnern entgegen: »Nicht, solange ich lebe, Skafra!«
    Das Gelächter, das sich daraufhin erhob, klang wie das Keuchen von tausend Schwindsüchtigen. Der Große Drache stellte sich auf die Hinterbeine und türmte die bullige Brust über dem Hexenmeister auf. An seinem Hals hing eine Kette, deren Glieder aus Menschenköpfen waren.
    »Du bist besiegt, Hexenmeister. Unser Zorn hat deinen Stamm zerschlagen wie einen irdenen Topf. Die Erde ist getränkt mit dem Blut der deinen, und bald werden deine Feinde dich mit gespanntem Bogen und gezücktem Schwert umzingeln. Willst du deine Torheit nicht bereuen und dich unserem Herrn unterwerfen?«
    »Wie du es getan hast, mächtiger Skafra, erhabener Herrscher der Wolken und Berge?«
    Durchsichtige Lider klimperten über die quecksilbernen Augen des Drachen. »Ich bin kein Gott.«
    Nautzera lächelte grimmig, und Seswatha sagte: »Dein Herr auch nicht.«
    Mächtige Glieder stampften auf, und eherne Zähne malmten. Aus glühenden Lungen drang ein Schrei, der an das tiefe Seufzen des Meeres erinnerte und so durchdringend war wie das Heulen eines Kleinkinds.
    Unbeeindruckt von dem um sich schlagenden Riesendrachen wandte Nautzera sich plötzlich mit verwunderter Miene an Achamian.
    »Wer bist du?«
    »Einer, der deine Träume teilt…«
    Einen Moment lang waren sie wie zwei Ertrinkende, die verzweifelt um sich traten, um wieder an die Wasseroberfläche zu gelangen. Dann war es dunkel, und sie befanden sich in jenem schweigenden Nirgendwo, in dem die Seele beheimatet ist.
    Nautzera? Ich bin’s!
    An dem Ort, an dem sie sich nun befanden, gab es nur Stimmen.
    Achamian? Bist du’s? Dieser Traum quält mich in letzter Zeit ungemein oft. Wo bist du? Wir fürchteten schon, du wärst tot.
    War das wirklich Sorge? Hatte Nautzera sich allen Ernstes Sorgen um ihn gemacht? Um den Ordensbruder, den er mehr verachtete als alle anderen? Ganz auszuschließen war das nicht – immerhin hatten Seswathas Träume eine Wucht, die kleinliche Animositäten beiseite zu fegen vermochte.
    Ich bin mit dem Heiligen Krieg unterwegs, antwortete Achamian. Der Streit mit dem Kaiser ist beigelegt. Das Heer zieht gegen Kian. Bilder begleiteten diese Worte: Proyas bei einer Ansprache vor begeisterten Kämpferhorden aus Conriya; endlose Kolonnen bewaffneter Adliger mit ihrem Gefolge; vielfarbige Banner von tausend Lehnsmännern und Baronen; in der Ferne die Truppen der Nansur, die in perfekter Formation durch Weinberge und Wäldchen zogen…
    Dann fängt es also an, stellte Nautzera mit Nachdruck fest. Und Maithanet? Konntest du mehr über ihn erfahren?
    Ich hatte gehofft, Proyas würde mich dabei unterstützen, doch damit lag ich falsch. Er gehört zu den Tausend Tempeln…zu Maithanet.
    Was ist bloß mit deinen Schülern los, Achamian? Warum schließen sie sich nur allesamt unseren Rivalen an? Die Leichtigkeit, mit der Nautzera seinen Sarkasmus wiedergefunden hatte, schmerzte Achamian, erleichterte ihn aber auch auf seltsame Weise. Der große alte Hexenmeister würde seinen Verstand noch bitter nötig haben.
    Ich habe sie gesehen, Nautzera. Vor seinem inneren Auge blitzte der nackte Skeaös auf, der angekettet war und wild um sich schlug wie ein Epileptiker.
    Wen hast du gesehen?
    Die Rathgeber. Ich habe sie gesehen und weiß, wie sie sich uns all die Jahre haben entziehen können. Ein Gesicht, das sich öffnete wie eine habgierige Faust, die nach einer Goldmünze greift.
    Bist du betrunken?
    Sie sind hier, Nautzera. Unter uns. Sie waren es immer.
    Pause. Was sagst du da?
    Die Rathgeber operieren noch immer im Gebiet der Drei Meere.
    Die Rathgeber…
    Ja! Sieh es dir an!
    Weitere Bilder blitzten auf und vermittelten den Wahnsinn, der sich in den Katakomben der Andiamin-Höhen zugetragen hatte. Wieder und wieder entfaltete sich das höllische Antlitz.
    Und zwar ohne alle Hexenkunst, Nautzera. Verstehst du? Es waren keine Anzeichen magischer Einwirkung sichtbar! Wir können die Hautkundschafter nicht als solche erkennen…
    Obwohl Inraus Tod seinen Hass auf Nautzera noch verstärkt hatte, hatte Achamian sich an ihn gewandt, weil gerade er ein Fanatiker war und der Einzige, dessen Wut maßlos genug war, um das Außerordentliche seiner Entdeckung nüchtern zu beurteilen.
    Das muss die Tekne sein, sagte Nautzera, und erstmals hörte Achamian Furcht in seiner Stimme. Die Alte
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