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Der Priester

Der Priester

Titel: Der Priester
Autoren: Gerard O'Donovan
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sich wieder etwas beruhigte.
    »Das wird jetzt wirklich zu viel für sie«, warf die Schwester ein. »Hat das nicht Zeit, bis sie ein wenig zu Kräften gekommen ist?«
    »Ich finde nicht, dass das Schwein, das ihr das angetan hat, auch nur eine Sekunde länger als nötig frei herumlaufen sollte, oder was meinen Sie?«, fauchte Brogan sie an.
    Die Schwester wurde rot und sah aus, als wollte sie etwas erwidern. Stattdessen schnalzte sie missbilligend mit der Zunge, wandte sich wieder an Jesica, streichelte ihre Stirn und hielt ihr einen Becher vor den Mund, damit sie einen Schluck trinken konnte.
    »In Ordnung«, flüsterte Brogan Mulcahy zu. »Machen Sie einen Bogen um den Überfall, das regt sie zu sehr auf. Fragen Sie sie danach, was sie direkt vorher gemacht hat. Auf die Details kommen wir gleich noch mal zurück.«
    »Sind Sie sicher?«, fragte Mulcahy. Healy konnte ihn mal. Der verdammte Minister übrigens auch. Das Mädchen war zu schwach für so eine Befragung.
    »Jetzt fragen Sie schon«, beharrte Brogan. »Wahrscheinlich kommen wir erst in ein paar Tagen wieder an sie heran.«
    Er wich ihrem Blick nicht aus, während er überlegte. Aber schließlich war sie die Expertin für Sexualverbrechen. Sie musste wissen, was sie tat. Wie würde er sich fühlen, wenn jemand ihm vorschreiben wollte, wie er seine Arbeit zu tun hatte? Er wandte sich wieder an Jesica. Sie bekamen jedoch nicht viel mehr aus ihr heraus. Sie war in einem Club gewesen, erinnerte sich aber nicht an den Namen. Als Mulcahy fragte, ob sie allein dort gewesen wäre, wurde Jesica nervös.
    »Me golpeó« , er hat mich geschlagen, »me golpeó.« Mehr sagte sie nicht, wiederholte es jedoch immer wieder. Dann kam eine weitere und offenbar schlimmere Erinnerung dazu, sie rollte die Augen und wimmerte nur noch leise vor sich hin – so leise, dass Mulcahy die Worte kaum verstehen konnte … Es ging um das Höllenfeuer, ein Flammenschwert und die Rache Gottes. Oder hatte er sich verhört? Mulcahy ließ sich die Worte noch einmal durch den Kopf gehen, dann war er sicher, dass er es richtig verstanden hatte.
    Doch in dem Moment schrie das Mädchen auf, zog die Beine an die Brust, schlang die Arme darum und schaukelte so schluchzend in den Armen der Krankenschwester.
    Wieder wandte Mulcahy sich an Brogan. »Was zum Teufel hat er mit ihr gemacht?«
    Brogan sah ihn grimmig an. »Er hat sie gequält, der kranke Wichser. Ihr Verbrennungen zugefügt, Brandzeichen, um genau zu sein, überall auf dem Bauch und auf den Genitalien. Wir wissen noch nicht, womit. Vielleicht mit einem Messer, das er an einer Lötlampe erhitzt hat. Egal was, er hat sie vollkommen zugrunde gerichtet.«
    »Herrgott noch mal«, sagte Mulcahy und versuchte, sein Erschrecken zu verbergen.
    »Jetzt müssen Sie aber wirklich aufhören«, sagte Schwester Sorenson zu Brogan. »Das nimmt sie zu sehr mit. Sie braucht Ruhe.«
    Brogan nickte zustimmend, war aber noch nicht fertig.
    »Ja, in Ordnung. Nur eine Frage noch.« Wieder zupfte sie Mulcahy am Ärmel. »Sagen Sie ihr, dass es uns wirklich helfen würde, wenn sie sich an irgendein, wenn auch noch so unbedeutendes Detail von dem Mann erinnern könnte, der ihr das angetan hat. Ganz egal, was. Kleidung, Haarfarbe, Schuhe, oder wo sie waren. Irgendetwas.«
    Mulcahy fragte mit sanfter Stimme, trotzdem geriet das Mädchen sofort wieder in Panik – als ob die Worte sämtliche Barrieren durchschlügen, die die Medikamente aufgebaut hatten, und die Schmerzen ebenso heftig wie beim ersten Mal wieder aufflammten. Mulcahy fluchte innerlich und stand auf, außerstande sich vorzustellen, was sie durchlebte, und unwillig, die Wunden noch einmal aufzureißen. Schnell sagte er dem Mädchen, dass alles in Ordnung wäre und er ihr keine weiteren Fragen stellen würde. Dann drängte er sich an Brogan vorbei und ging Richtung Tür. Ihm reichte es.
    »Wo wollen Sie hin?« Brogan starrte ihn an, als wäre er übergeschnappt.
    »Okay, das war’s«, sagte die Schwester. »Jetzt raus hier. Alle. Und zwar sofort.« Aber noch während sie aufstand, um alle aus dem Zimmer zu schicken, brach es aus Jesica heraus. Als wäre ein Damm gebrochen, strömte ein Sturzbach aus Tränen, Rotz und Horror aus ihr heraus, und das Mädchen schlug wild um sich. Die Schwester bemühte sich, sie zu beruhigen, sie davon abzubringen, sich unter der Decke zu verletzen. Mulcahys erster Gedanke war, ihr zu helfen, aber Brogan war näher bei ihr. Sie sprang auf und hielt die fuchtelnden
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