Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Priester

Der Priester

Titel: Der Priester
Autoren: Gerard O'Donovan
Vom Netzwerk:
gestellt hatte. »Der Minister kriegt jetzt schon fast einen Anfall. Wenn wir irgendeine Chance haben, unsere Haut zu retten, dann werden wir das in drei Teufels Namen auch tun.«
    Verdammte Politiker.
    »Tja«, sagte die Rezeptionistin, als sie den Telefonhörer auflegte, »Ihre Kollegen waren im St.-Catherine-Flügel. Im Moment sind sie jedoch nicht zu finden.«
    Er wollte sie trotzdem fragen, wie er dorthin käme, als ihm zwei Personen auffielen, ein Mann und eine Frau, die am Getränkeautomaten auf der anderen Seite des Wartebereichs standen. Mit ernsten Mienen schlürften sie ihre Getränke aus Plastikbechern, während sie den Wartebereich misstrauisch beäugten. Abgesehen von dem alten Ehepaar waren sie die Einzigen, die Jacken trugen. Eindeutig Polizisten.
    »Schon okay«, sagte er. »Ich glaube, dahinten sind sie.«
    Als er auf sie zuging, versuchte er herauszubekommen, wer von den beiden der Chef war. »Brogan erzählt Ihnen, wenn Sie vor Ort sind, worum es geht«, hatte Healy nur gesagt. Die Frau strahlte unmissverständlich Autorität aus. Sie war mindestens fünf Zentimeter größer als ihr Begleiter – außerdem jünger und besser gekleidet. Auf jeden Fall ehrgeizig. Sie hatte ihre welligen, roten Haare zu einem komplizierten Zopf geflochten und ein hübsches Gesicht, das durch einen warmen Lippenstift betont wurde.
    Der Mann war der typische Kriminalpolizist: vierschrötig, muskulös, aufmerksam, mit einem flachen, geröteten Moorleichen-Gesicht und kurzgeschorenen, graumelierten schwarzen Haaren. Der zerknitterte, graue Anzug unter dem kurzen, hellbraunen Mantel, das ungebügelte, cremefarbene Hemd und die braune Krawatte zeugten nicht vom Streben nach Höherem. Ganz sicher war sich Mulcahy über die Hierarchie aber in dem Moment, als dem Mann, nicht der Frau, auffiel, dass er auf sie zukam. Mit einem Hüsteln riss er sie aus ihren Gedanken. Sie hatte offenbar wichtigere Dinge im Kopf.
    »Inspector Brogan?«, sprach Mulcahy sie an.
    Die Frau musterte ihn von oben bis unten, bevor sie antwortete. Aus der Nähe sah er jetzt, dass sie deutlich jünger als ihr Kollege war. Höchstens Anfang dreißig. Mit intelligenten, grünen Augen. Musste die Karriereleiter steil hinaufgeschossen sein. Hatte wohl jede Menge Kurse und Fortbildungen besucht, von der Praxis aber wenig Ahnung.
    »Inspector Mulcahy?«, fragte sie ausdruckslos mit einem leichten südirischen Akzent. Vielleicht aus Waterford.
    »Steht vor Ihnen«, sagte er und nickte kurz. Sie sollte nicht glauben, dass er froh war, hier zu sein. Trotzdem schob er »Mike« nach und streckte die Hand aus.
    »Claire Brogan.« Ihr Lächeln war so fest und geschäftsmäßig wie ihr Händedruck. »Und dies ist Detective Sergeant Andy Cassidy.«
    Der Sergeant nahm seine Anwesenheit zur Kenntnis, indem er das Kinn kurz vorschob. Seine Miene verströmte eine eingefleischte Verdrießlichkeit.
    »Superintendent Healy meinte, Sie bräuchten Hilfe?«, setzte Mulcahy an.
    »Na ja, auf jeden Fall brauchen wir einen Dolmetscher«, erwiderte Brogan. »Die Frau, die das sonst für uns macht, ist krank, und ihre Vertretung hat sich ins Wochenende verabschiedet und ist nicht zu erreichen. Healy meinte, unter diesen Umständen wären Sie der richtige Mann.«
    »Meint er das?« Mulcahy wunderte sich über den gereizten Ton in ihrer Stimme. »Na ja, Dolmetscher bin ich zwar nicht, aber ich spreche fließend Spanisch. Wenn es so dringend ist, wie Healy sagte, kann ich es ja mal probieren.«
    »Er meinte, Sie hätten in Spanien für Europol gearbeitet. Drogen, oder?«
    »Ja, bis vor Kurzem«, sagte Mulcahy. »Bei der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht in Madrid. Bis letztes Jahr die ganze Abteilung nach Lissabon umgezogen ist.«
    »Und da sind Sie nicht mit umgezogen?«
    Wieder meinte er einen Hauch Gereiztheit in ihrer Stimme zu hören. Aber vielleicht hatte sie es auch nur ungeschickt formuliert. Es war ausgeschlossen, dass sie etwas über seine privaten Lebensumstände wusste, und er würde sich hüten, das Auf und Ab seiner Karriere mit ihr zu diskutieren.
    »Ich hatte Wichtigeres zu tun«, sagte er mit einem schwachen Lächeln, das nichts preisgab.
    In ihren Augen leuchtete Interesse auf, doch ihre Mundwinkel blieben heruntergezogen, als wäre sie entschlossen, ihrer Neugierde nicht nachzugeben.
    »Madrid ist nett«, sagte sie. »Ich war letztes Jahr für ein paar Tage da. Auf einem Seminar. Ein Informationsaustausch von Europol über Pädophile – war
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher