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Der Priester

Der Priester

Titel: Der Priester
Autoren: Gerard O'Donovan
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ihn?«
    »In dem Bereich, in dem ich gearbeitet habe, ist es so gut wie unmöglich, ihn nicht zu kennen«, sagte er und versuchte, nicht zu besorgt zu klingen. »Alfonso Mellado Salazar ist der spanische Innenminister.«
    El Juez, nannten sie ihn. Den Richter. Ein berüchtigter Hardliner – null Toleranz. Herrgott, wenn das seine Tochter war, würde es sicher Ärger geben.
    »Sagen wir einfach, es war auf den ersten Blick zu erkennen, dass sie schwer sexuell misshandelt wurde.«
    Brogan war mit Mulcahy auf dem Weg zum Krankenzimmer und erzählte ihm, wie das Mädchen frühmorgens halbnackt und furchtbar zugerichtet von einem Autofahrer an der Lower Kilmacud Road entdeckt worden war. Der Mann hatte sofort angehalten und die Gardaí sowie einen Krankenwagen gerufen. »Es hat etwas gedauert, bis sie herausbekommen hatten, dass sie Spanierin ist. Sie war schwer verletzt und überhaupt nicht ansprechbar. Währenddessen hatte das Garda-Revier in Dundrum einen Anruf von einem Ehepaar aufgenommen, das sich Sorgen machte, weil die sechzehnjährige spanische Austauschschülerin, die bei ihnen wohnte, gestern Nacht nicht nach Hause gekommen war. Um wessen Tochter es sich handelte, haben sie erst später erwähnt.«
    Sie sah ihm in die Augen und überließ ihn seinen eigenen Gedanken. »Es hat eine Weile gedauert, bis wir uns das alles zusammengereimt hatten. Kurz darauf ist in Phoenix Park auch schon Panik ausgebrochen.«
    Mulcahy nickte verständnisvoll. An so einem sonnigen Sonntagmorgen waren nicht viele höherrangige Beamte im Hauptquartier der Garda Síochána im Phoenix Park – wenn man überhaupt einen von ihnen sonntags dort antraf. Er konnte sich gut vorstellen, wie sie plötzlich um ihre Karriere gefürchtet hatten und diese Angst durch die Telefonleitungen in Dublins bessere Vororte geströmt war. Healy hatte ihn aus seinem Haus in Foxrock angerufen. Wie vielen anderen hatte diese Nachricht wohl das sonntägliche Mittagessen verdorben?
    »Hat die Presse schon Wind davon gekriegt?«, fragte Mulcahy.
    »Nein«, sagte sie. »Und Healy ist fest entschlossen, dass das auch so bleibt.«
    »Er glaubt doch wohl nicht ernsthaft, dass er das hinkriegt?«
    Brogan zuckte die Achseln. »Na ja, hier im Krankenhaus weiß keiner, wessen Tochter sie ist. Sie ist momentan auch nicht fähig, etwas auf Englisch von sich zu geben. Das hat man ihr rausgeprügelt. Außer den Bossen und uns wissen daher nur die Kollegen in Dundrum Bescheid. Healy hat ziemlich deutlich gemacht, dass es für jeden, der auch nur ein Wort sagt, ohne Rückfahrticket ab in die Provinz geht.«
    Mulcahy überlegte. Für die meisten Dubliner Polizisten wäre es schlimmer als der Tod, in irgendein gottverlassenes Kleinstadtrevier versetzt zu werden. Er bezweifelte allerdings, dass Healys Hauptproblem in der möglichen Geschwätzigkeit der Gardaí lag. So ein Krankenhaus war ein großer Komplex mit unübersichtlichen Strukturen, und darauf hatte Healy keinen Zugriff.
    »Natürlich haben wir auch die spanische Botschaft informiert. Aber die werden der Presse wohl kaum etwas stecken.«
    »War denn von denen noch keiner hier?« Das überraschte ihn. Wenn es um den Schutz eines der Ihrigen ging, waren Diplomaten oft schneller zur Stelle als Polizisten.
    »Sie sollen unterwegs sein. Wahrscheinlich gehen die an einem so schönen Sonntag auch nicht ins Büro.« Wieder sah Brogan auf ihre Uhr. »Und genau deshalb müssen wir endlich zu Potte kommen, sonst werden sie versuchen, uns Fesseln anzulegen, bevor wir auch nur ein Wort aus ihr herausbekommen haben.«
    Als sie durch die Schwingtür in den Krankensaal traten, stoppte Brogan ihn, indem sie die Hand vor ihm ausstreckte. »Bevor wir loslegen, sollten Sie wissen, dass ich die Befragung führe, nicht Sie .«
    »Von mir aus«, sagte er. Territorialverhalten war ihm nichts Neues. Alle hier passten wie die Schießhunde auf, dass bloß keiner in ihr Revier eindrang. »Das ist Ihr Fall«, sagte er. »Und nach allem, was ich bisher gehört habe, bin ich wirklich nicht scharf darauf. Eventuell brauche ich ein, zwei Minuten, um das Vertrauen des Mädchens zu gewinnen, aber ansonsten überlasse ich das Ihnen. Wie Sie schon sagten, ich bin hier nur der Dolmetscher.«
    »Gut.« Ein Lächeln erhellte Brogans Gesicht, verschwand jedoch sofort wieder. »Eins noch, bevor wir da reingehen. Ich weiß, dass Sie schon lange bei der Polizei sind, Mike. Sie sind auch ein harter Bursche und alles, aber dieser Typ hat dem armen Mädchen wirklich
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