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Der Preis der Ewigkeit

Der Preis der Ewigkeit

Titel: Der Preis der Ewigkeit
Autoren: Aimée Carter
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ich sie gerettet, wenn mir klar gewesen wäre, dass Ava die ganze Zeit über von Calliopes Plan, meinen Sohn zu töten, gewusst hatte?
    Ich hatte keine Ahnung und es war mir auch egal. Wenn Ava mir half, ihn zu retten; wenn sie uns half, zu fliehen, würden die vergangenen neun Monate keine Rolle mehr spielen. Vergessen würde ich es niemals, aber mit der Zeit möglicherweise vergeben.
    Hastig trat ich durch die Tür. Ava bot mir ihren Arm an, doch ich wich vor ihr zurück. Beim Gedanken, mich von ihr berühren zu lassen, wurde mir übel. „Spar dir die Mühe. Kronos hat mich geheilt. Wo geht’s lang?“
    Ava sank in sich zusammen und ließ die Hand sinken. Ich verspürte Schuldgefühle, schob sie jedoch schnell beiseite. Sie verdiente mein Mitgefühl nicht. Quälend langsam führte sie mich auf Zehenspitzen über den Schieferboden des Gangs. Hatte ich recht? Wollte sie mich bloß verstecken, damit Henry mich nicht finden könnte?
    Egal. Ich musste es versuchen.
    Es gab einen entsetzlichen Krach. Die Wände um uns herum bebten und Ava warf sich auf mich, schützte meinen Körper mit ihrem eigenen, als die Decke auf uns herabstürzte. Mit dem Hinterkopf krachte ich gegen die Wand, doch ich wartete auf einen Schmerz, der nicht kam. Ich war jetzt unsterblich. Und wenn die ganze Welt über uns zusammenstürzte – wir würden niemals sterben.
    „Geht’s dir gut?“, keuchte Ava zwischen den Trümmern. Die Luft war eine einzige Staubwolke, und als ich versuchte, Luft zu holen, schnürte es mir die Kehle zu.
    „Wir müssen weiter“, brachte ich hustend hervor. Henry würde sich nicht mit Fragen aufhalten – sobald er mich in die Finger bekäme, würde er mich mit sich in die Unterwelt nehmen. Wir mussten das Baby finden, bevor Henry mich entdeckte.
    Ich kletterte über den hüfthohen Berg aus Schutt, wühlte mich durch den Staub, während scharfe Kanten versuchten, sich in meine undurchdringliche Haut zu bohren. Was, wenn mein Baby unter Trümmern begraben lag?
    Mein Fuß blieb an einem Brocken hängen, den ich nicht sehen konnte, und ich stolperte, streckte reflexartig die Arme aus, um meinen Fall zu bremsen. Doch stattdessen fingen mich zwei starke Hände auf und ich blickte hoch.
    Dunkles Haar, attraktives Gesicht, breite Schultern. Es war Henry.
    Ich blinzelte gegen die Tränen an, mit denen mein Körper den Staub aus meinen Augen schwemmen wollte, und sein Gesicht wurde klarer.
    Nein, nicht Henry.
    Kronos.
    „Komm, meine Liebe“, murmelte er und zog mich auf die Füße. Seine Hände waren wie glühende Kohlen auf meiner Haut. Hart pochte mein Herz und ich schmeckte Galle. Wo war Henry? Warum versuchte Kronos nicht, ihn aufzuhalten?
    Weil er es nicht musste. Ein Gott gegen den König der Titanen – der Ausgang dieses Kampfes wäre klar. Und mit Calliopes Waffe wäre es obendrein kein fairer Wettstreit. Henry würde nicht wissen, was ihn erwartete, und dann …
    Ich schluckte. Ich musste das Baby finden, bevor Henry mich entdeckte, und ich musste Henry finden, bevor es zu spät war. Jede andere Möglichkeit war inakzeptabel.
    „Ich will meinen Sohn sehen“, verlangte ich und riss mich von Kronos los, während ich versuchte, ruhig zu klingen. Zu meiner Linken gab ein klaffendes Loch in der Steinmauer den Blick auf einen goldenen Himmel frei, und der Klang der Brandung drang bis in den Flur. „Bring mich zu ihm.“
    „Alles zu seiner Zeit.“ Er führte mich durch den zerstörten Korridor und der Schutt wich vor unseren Schritten zur Seite, machte einen Weg für uns frei. Für ihn. Ava folgte ein paar Schritte hinter uns, schlurfend und gegen die Steine tretend, als wollte sie so viel Lärm wie nur möglich machen. Eine Warnung für Calliope, dass wir kamen? Ein Signal, um Henry mitzuteilen, wo wir waren?
    Ohne Vorwarnung veränderte sich die Luft, als der Staub verschwand und der salzige Wind vom Meer den dünnen Schreien eines Neugeborenen wich. Ich blinzelte. Es war lange her, dass ich unabsichtlich eine Vision gehabt hatte.
    Um mich herum erhoben sich Wände in der Farbe des Sonnenuntergangs. Das Zimmer war leer bis auf eine weiße Wiege in der Mitte. Mir stockte der Atem, als ich über den Rand spähte. Ich wagte kaum, zu hoffen.
    Dort, eingewickelt in eine Strickdecke, lag mein Sohn.
    Sein Schluchzen hörte auf, und er öffnete die Augen einen Spalt weit, als sähe er mich direkt an. Aber das war unmöglich – er konnte mich nicht sehen. Niemand konnte mich in meinen Visionen sehen. Ich war eine
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