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Der Planet des Todes

Der Planet des Todes

Titel: Der Planet des Todes
Autoren: Stanislaw Lem
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gegeneinander Krieg zu führen.
    Es gelang ihnen, das gesteckte Ziel zu erreichen, aber – auf ihrem eigenen Planeten!“
    Die Kabinenwand mit ihren Schalttafeln und Geräten verschwamm vor meinen Augen. Ich sah nur noch Arsenjews Gesicht als weißen Fleck vor einem dunklen Hintergrund. Ruhig fuhr er fort: „Ihr Verhältnis zu den Maschinen ist uns unklar. Es kann sein, daß die Maschinen die höchste Staatsmacht verkörperten. Auf jeden Fall waren sie es, die den genauen Plan des Angriffs gegen die Erde ausarbeiteten. Sie schufen auch die Kriegspläne und schickten die Bewohner ihres Planeten in den Tod.“
    „Und um was kämpften sie?“
    Arsenjew nahm ein Bündel Drähte und wog es in der Hand.
    „Das ist nicht klar zu erkennen. Vielleicht um das Recht der Ansiedlung auf der Erde. Die Bewohner der Venus besaßen eine hochentwickelte Kultur; aber all die vorzüglichen Konstrukteure und Baumeister unter ihnen hatten sich und ihr ungeheures Können in den Dienst der Vernichtung gestellt. Eine solche Gemeinschaft von Lebewesen mußte sich früher oder später gegen sich selbst kehren. Denk an gewisse Analogien unserer eigenen Geschichte. Der Krieg auf der Venus dauerte viele Jahre. Einige seiner Phasen sind uns vollkommen unverständlich, ganz abgesehen von den großen zeitlichen Lücken in den Chroniken der Archivhöhle. Verborgen unter der Oberfläche des Planeten, beschossen sie einander mit verdichteten Energieladungen, überschütteten sich gegenseitig mit Wolken giftigen Staubes, riefen künstliche Bodenverschiebungen und tektonische Beben hervor. Sie verbrauchten und verschwendeten in diesen Kämpfen Energiemengen, die genügt hätten, um ihren Planeten in einen blühenden Garten zu verwandeln. Unter den Bewohnern der Venus sonderte sich eine Gruppe von Wesen höchster Intelligenz ab. Ihr Ziel war es, denkfähige Maschinen zu schaffen und sich ihrer zu bedienen. Diese Wesen blieben eine gewisse Zeit lang scheinbar neutral; denn sie dienten beiden kämpfenden Parteien zugleich. Unter anderem lieferten sie ihnen auch die Pläne zur gegenseitigen Vernichtung.“
    „Das ist doch widersinnig.“
    „Und trotzdem war es so. Je länger der Krieg dauerte, desto tiefer sank das Niveau der Zivilisation, In diesem Prozeß gab es, bedingt durch vorübergehende friedliche Perioden, zeitweilige Rückkehr zu früherer Blüte. Danach wurden aber die Kämpfe stets um so erbitterter fortgesetzt. Die großen energetischen Zentralen wechselten mehrmals ihre Herren. Es kam vor, daß die Kraftanlagen stillstanden, da den Siegern das erforderliche technische Wissen fehlte, um sie wieder in Gang zu bringen. In diesen Zeiten bemühten sich wahrscheinlich die ,neutralen‘ Venusbewohner, die Schöpfungen der Zivilisation, die Chroniken und Dokumente vor der Vernichtung zu bewahren, und legten zu diesem Zwecke in Wüsten, inmitten von Bergen, Schutzräume an. Auf die Ruine eines solchen Raumes stießen wir während unserer Expedition zur weißen Kugel. Allmählich begann eine der feindlichen Parteien die Oberhand zu gewinnen. Sie war ihres Sieges bereits so sicher, daß sie die Rakete auf die Erde sandte, die im Jahre 1908 über der Taiga niederging. Hier bricht die Chronik ab. Den weiteren Verlauf der Ereignisse können wir nur mutmaßen. Es ist denkbar, daß die große Katastrophe während des Endkampfes um die Beherrschung des energetischen Systems eintrat; es kann aber auch sein, daß man zuletzt einfach die Kontrolle über die komplizierte Maschinenwelt verlor, daß man sich über die Auswirkungen dieses einmal in Tätigkeit gesetzten Räderwerkes gar nicht im klaren war. Vielleicht aber gab es noch eine andere Ursache für die grauenvolle Selbstvernichtung dieser Lebewesen, und wer weiß, ob diese Deutung nicht die wahrscheinlichste ist, daß nämlich die unterliegende Partei zu einer letzten Möglichkeit griff, um sich vor dem Untergang zu retten: zu den Deuteronenladungen, die zur Vernichtung der Erde bestimmt waren.“
    „Und wann soll dies geschehen sein?“
    „Im April 1915 veröffentlichte ein junger belgischer Gelehrter eine Arbeit, in der er auf einen eigenartigen Sprung in der durchschnittlichen Jahrestemperatur der Venus hinwies. Die Werte, die er für einen Zeitraum von vierzehn Jahren zusammengestellt hatte, schwankten um vierzig Grad Celsius; im letzten Beobachtungsjahr hingegen wurden zweihundertneunzig Grad verzeichnet. Dieser abnorme Temperaturanstieg dauerte einen knappen Monat. Die Arbeit erschien während
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