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Der Planet des Todes

Der Planet des Todes

Titel: Der Planet des Todes
Autoren: Stanislaw Lem
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kehrten nun gemeinsam in den Gang zurück und klopften Wände und Decke ab. Wir untersuchten noch einmal die Einsturzstelle. Nur noch bis zum Gürtel konnte man in die Öffnung kriechen, dann versperrten Felsblöcke den Weg. Ich stemmte, zog, zerrte, schob, die Adern schwollen an, das Blut hämmerte in den Schläfen; aber die Blöcke rückten und rührten sich nicht, sie lagen so fest aufeinander, als wären sie mit Zement verbunden. Dann versuchte es Arsenjew. Nur unsere beschleunigten Atemzüge waren in der Stille zu hören. Schweigend gingen wir in die Grotte zurück, setzten uns an die Wand und schalteten beide Scheinwerfer aus. Nach einer Weile erinnerte ich mich an Arsenjews Picke. Meine war beim Rucksack geblieben. Ich schaltete den Scheinwerfer wieder ein, eilte den Gang hinauf und begann, auf die Spalten der steinernen Barrikade einzuhämmern. Feine Quarzitsplitter sprangen klirrend von meinem Helm ab.
    „Hör auf“, sagte Arsenjew, der mir gefolgt war. „Das hat keinen Sinn.“ Ich beschrieb leuchtende Bögen mit dem blinkenden Stahl, schlug mit allen Kräften zu. Der Fels knirschte, gab aber nicht nach. Nur kleinere Bruchstücke flogen durch die Luft. Wut packte mich. Ich holte mit solcher Wucht aus, daß ich beinahe gefallen wäre. Der Stiel vibrierte in meinen Händen. Schrill klang das Eisen beim zwecklosen Aufschlag; dann flog es zu Boden. Dicht an der Picke war der Stiel abgebrochen.
    „Wie tief sind wir?“ fragte ich Arsenjew, als sich mein Atem etwas beruhigt hatte.
    „Ungefähr fünfzehn Meter unter der Straße.“
    Wieder saßen wir im Finstern. Nach ungefähr zwanzig Minuten glaubte ich, daß ich die eine Seite des Stollens nicht gründlich genug abgeklopft hätte. Dort konnte sich hinter einer dünnen Scheidewand irgendein Durchlaß, ein Spalt befinden, ein Weg, der ins Freie führte … in die Freiheit … Ich sprang auf und schaltete den Reflektor ein. Sein Licht nahm mir den letzten Rest von Selbsttäuschung. Wir hatten das Gestein genau untersucht. Es gab keine Stelle, die wir nicht beachtet hätten, keinen Spalt, nichts, gar nichts.
    „Setz dich“, sagte Arsenjew. Durch den riesigen Schatten schien er reglos mit dem Fels verwachsen. „Setz dich und schalte das Licht aus. Es wird schon gelblich.“
    Es war tatsächlich etwas schwächer geworden. Man müßte die Batterie auswechseln … Sie war dort, wo ich sie zurückgelassen hatte – im Rucksack. Aufmerksam betrachtete ich das glühende Wolframfädchen in der Birne, dann schaltete ich den Reflektor aus und ließ mich schwer zu Boden sinken. Wir waren seit anderthalb Stunden verschüttet; auf die Uhr mochte ich nicht mehr sehen. Ich preßte den Helm gegen den Felsen. Dumpfe, rauschende Stille war um uns.
    Langsam gewöhnte ich mich an die Finsternis. Reglos saß ich da. Allmählich wurde ich schläfrig. Die erschöpften Muskeln verlangten Ruhe. Ich hatte während des ganzen vergangenen Tages schwer geschuftet, Schutt beiseite geräumt, geholfen, den Wagen über Trümmerfelder zu schieben …
    Ich schrak plötzlich aus dem Halbschlaf auf, mit dem Gedanken, daß noch etwas zu tun sei – die Batterie im Reflektor mußte ausgewechselt werden. Als ich richtig zu mir gekommen war, merkte ich, daß es Blödsinn war, daran zu denken. Ärgerlich über mich selbst, schloß ich wieder die Augen. – Ich bin zu Hause, eine dunkle Oktobernacht – kalt –, aber ich schlafe gern bei offenem Fenster. Stille – kaum hörbar schwebt der Wind in den Zweigen. Um acht Uhr früh soll ich nach Kairo fliegen. Da kann ich noch bis zum Morgendämmern ruhig schlafen … Ich versuchte es mir einzureden; aber es half nichts. Nun schaute ich doch wieder auf die Uhr: drei Viertel sieben. Auf einmal fiel mir ein, daß Arsenjew mit Vornamen Pjotr hieß. Nie mehr war er mir in den letzten Wochen so nahe gewesen wie damals, während der Reise.
    „Pjotr“, sagte ich.
    Er antwortete sofort. „Was?“
    „Nichts …“, sagte ich leise. – „Ich wollte nur wissen, ob du schläfst“ So verging langsam die Nacht. Gegen Morgen schlief ich ein; aber es war kein Ausruhen. Ich wachte mit dem Gefühl auf, daß etwas Furchtbares geschehen war. Meine Hände strichen über den nackten Fels. Es war kühl. Ich schaltete den Scheinwerfer ein.
    Arsenjew lag auf dem Rücken. Er wirkte noch riesenhafter als sonst. Seine graue Kombination war zerknittert und mit Kalkflecken bedeckt. Er schlief nicht.
    „Es ist fünf“, sagte er und blickte mich durch das Fenster des Helmes
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