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Der Pilot von der Donau

Der Pilot von der Donau

Titel: Der Pilot von der Donau
Autoren: Jules Verne
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genügen. Es war doch unmöglich, daß er an einem solchen Fahrzeug vorüberkommen könnte, ohne daß eine geheimnisvolle Stimme in seinem Innern ihm zugerufen hätte, daß gerade dieses das richtige wäre.
    Tatsächlich schwebte Serge Ladkos Hoffnung nicht so in der Luft, wie man das anzunehmen versucht wäre. Die Möglichkeit eines Irrtums wurde wesentlich durch den Umstand eingeschränkt, daß hier weit weniger Schuten auf der Donau verkehren. Schon von Orsowa an hatte sich ihre Zahl wesentlich vermindert, war hinter Rustschuk sehr unbedeutend geworden und fast die letzten hatten in Silistria Halt gemacht. Unterhalb dieser Stadt, an der die Jolle nach vierundzwanzig Stunden vorübergekommen war, blieben nur zwei Schuten auf dem Strome übrig, den hier fast ausschließlich Dampfschiffe befahren.
    Von Rustschuk aus nimmt die Donau nämlich an Breite ungeheuer zu. An der linken Seite von endlosen Sümpfen begleitet, beträgt diese reichlich neun Kilometer. Weiter unten ist sie noch bedeutender und zwischen Silistria und Braila erreicht der Strom stellenweise eine Breite von zwanzig Kilometern. Die Wasserfläche bildet hier ein wirkliches Meer, auf dem es weder an Stürmen noch an schaumgekrönten Wellen fehlt, es liegt also auf der Hand, daß flachbodige, für den Wogenschlag der offnen See wenig geeignete Schuten zögern, sich darauf hinauszuwagen.
    Für Serge Ladko traf es sich sehr glücklich daß jetzt beständig schönes Wetter herrschte. Mit einem so kleinen und so wenig seetüchtigen Fahrzeuge wäre er schon bei einigermaßen steifem Winde genötigt gewesen, in einer Bucht am Ufer Schutz zu suchen.
     

    »Ja, das ist er!« (S. 245.)
     
    Karl Dragoch, der neben einer warmherzigen Teilnahme für die Sorgen seines Gefährten doch noch ein andres Ziel verfolgte, wurde etwas unruhig, wenn er diese erschreckende Wasserwüste überblickte. Titscha konnte ihm ja vielleicht falsche Angaben gemacht haben. Das Zurückbleiben aller Schuten ließ ihn befürchten, daß Striga dazu ebenfalls gezwungen gewesen sein möchte… Diese Unruhe konnte er nicht besiegen, und so offenbarte er sich schließlich seinem Gefährten.
    »Kann eine Schute denn überhaupt bis zum Meer hinunterfahren? fragte er.
    – O, doch, antwortete der Pilot. Es kommt zwar selten vor, zuweilen sieht man’s aber doch.
    – Haben Sie selbst welche hinuntergelotst?
    – Ja, manchmal.
    – Wie löschen sie dann ihre Ladung.
    – Sie suchen einzelne der Buchten auf, die es jenseits der Mündungen gibt und wo dann auch die Dampfschiffe anlegen.
    – Jenseits der Mündungen sagen Sie; danach gäb’ es also mehrere?
    – Vor allem zwei Hauptarme, erklärte Serge Ladko. Der eine im Norden, ist die Kiliamündung, die zweite, im Süden, die Sulinamündung; diese zweite ist die bedeutendere.
    – Das kann uns doch nicht etwa zu einem Irrtum verleiten? fragte Karl Dragoch beunruhigt.
    – Nein, versicherte der Pilot. Leute, die sich verbergen wollen, benützen die Sulinamündung nicht. Wir werden also in die nördliche einfahren.«
    Karl Dragoch fühlte sich über diese Antwort nur halb befriedigt. Während die beiden den einen Weg verfolgten, konnte ihnen die Bande auf dem andern recht gut entschlüpfen. Hierbei war aber doch nichts andres zu tun, als sich auf gutes Glück zu verlassen, da es ja unmöglich war, beide Stromläufe zu überwachen. Und als ob er seine Gedanken erraten hätte, vervollständigte Serge Ladko seine Rede noch in folgender, mehr versprechenden Weise:
    »Außerhalb der Kiliamündung, fuhr er fort, gibt es noch eine Einbuchtung, wo eine Schute die Überführung ihrer Fracht bequem bewerkstelligen kann. An der Sulinamündung müßte sie die Löschungsarbeit dagegen schon in dem unmittelbar am Meere gelegnen Hafen vornehmen. Der noch südlicher gelegene Sankt Georgsarm ist, obwohl er die größte Breite hat, doch kaum schiffbar. Es ist also kaum ein Irrtum zu befürchten.«
    Am Morgen des 14. Oktobers, vier Tage nach der Abfahrt von Rustschuk, erreichte die Jolle endlich das Delta der Donau und ließ hier den Sulinaarm zur Rechten, um in den Kiliaarm einzulaufen. Gegen Mittag kam sie an Ismail, der letzten, etwas bedeutenderen Stadt auf der ganzen Fahrstrecke, vorbei. In den ersten Stunden des nächsten Tages sollte sie am Schwarzen Meere sein.
    Daß die Schute Strigas schon vorher angetroffen würde, war kaum anzunehmen. Nach dem Verlassen des Hauptarmes war der Strom fast völlig leer. So weit der Blick auch reichte… kein Segel, keine
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