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Der Pilot von der Donau

Der Pilot von der Donau

Titel: Der Pilot von der Donau
Autoren: Jules Verne
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Türken werden mir für seine Haut mehr bezahlen, als sie wert ist… Striga wird schon damit zufrieden sein. Geh’ nicht vom Flecke, Kamerad, sagte er, an Karl Dragoch gewendet. Sobald er heraustritt, schlage ihn nieder. Kannst ja nötigenfalls um Hilfe rufen; ich werde unterdessen die Polizei benachrichtigen.«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, ging Titscha eiligen Schrittes fort. Jetzt schwankte er kaum noch herüber und hinüber. Die Erregung hatte ihm das Gleichgewicht wieder verliehen.
    Sobald er sich allein sah, betrat Dragoch das Haus.
    Serge Ladko machte keine Bewegung. Karl Dragoch legte ihm die Hand auf die Schulter.
    Der Unglückliche erhob den Kopf, doch seine Gedanken waren abwesend und sein irrer Blick zeigte, daß er seinen Passagier nicht erkannte. Dieser sprach nur ein einziges Wort aus:
    »Natscha!«
    Serge Ladko schnellte empor; seine flammenden Augen waren fragend auf die Karl Dragochs gerichtet.
    »Folgt mir, sagte der Detektiv, aber schnell, schnell!«
Siebzehntes Kapitel.
Auf dem Wasser.
    Die Jolle flog geradezu über das Wasser. Übereifrig, wie von einer Art Wut angefeuert, legte sich Serge Ladko kräftiger als je in die Riemen. Durch die Heftigkeit seines Verlangens wie den gewöhnlichen Gesetzen gegenüber gefeit, gönnte er sich kaum jede Nacht eine kurze Zeit der Ruhe. Da fiel er erschöpft in einen bleiernen Schlaf, aus dem er zwei Stunden später plötzlich wie durch einen Glockenschlag erwachte, um sich sofort wieder seiner aufreibenden Arbeit hinzugeben.
    Als Zeuge einer so ununterbrochenen Arbeit bewunderte es Karl Dragoch, daß ein menschlicher Organismus eine solche Widerstandsfähigkeit haben konnte. Und doch war es ein Mensch, der ihm dieses wunderbare Schauspiel bot, aber ein Mensch, der seine unerschöpfliche Energie einer brennenden Sehnsucht, einem glühenden Wunsche verdankte.
    Um den unglücklichen Piloten davon in keiner Weise abzulenken, befleißigte sich der Detektiv, das Schweigen auf der Jolle nicht zu brechen. Was Wichtiges zu sagen gewesen war, das hatten die beiden einander schon in Rustschuk gesagt. Sobald die Jolle wieder in die Strömung hinausgetrieben war, hatte Karl Dragoch die unentbehrlichsten Aufklärungen gegeben. Zuerst hatte er seine eigne Persönlichkeit und seinen Beruf enthüllt. Mit wenigen kurzen Worten hatte er dann erklärt, warum er diese Fahrt unternommen hätte, nämlich zur Verfolgung der Räuberbande der Donau, als deren Anführer die öffentliche Meinung einen gewissen Ladko aus Rustschuk bezeichnete.
    Diese Mitteilung hatte der Pilot nur zerstreut und mit fieberhafter Ungeduld angehört. Was kümmerte ihn alles das? Er hatte ja nur einen Gedanken, einen Wunsch, nur eine Hoffnung: Natscha!
    Aufmerksamer war er erst geworden, als Karl Dragoch angefangen hatte, von der jungen Frau zu sprechen, als er sagte, aus Titschas Munde gehört zu haben, daß diese jetzt den Strom hinunterfahre, aber als Gefangne auf einer Schute, die von dem Anführer der Bande geleitet wurde, dessen richtiger Name Striga – nicht Ladko – wäre.
    Bei der Nennung dieses Namens stieß Serge Ladko einen unartikulierten Schrei aus.
    »Striga!« rief er, während seine Hand den Riemen krampfhaft fest umschloß.
    Jetzt hatte er weiter nichts zu fragen. Er eilte nur ohne Unterlaß, ohne sich Ruhe zu gönnen, mit gerunzelten Brauen und irre blickenden Augen seinem Ziele entgegen. Sein Herz sagte ihm, daß er das erreichen würde. Warum? Darüber hätte er keine Rechenschaft geben können. Er fühlte nur die Gewißheit… nichts weiter. Die Schute, worin Natscha gefangen saß, würde er auf den ersten Blick aus Tausenden heraus erkennen. Wie?… Das wußte er nicht. Er würde sie aber herausfinden, daran konnte kein Zweifel sein. Jetzt wurde ihm auch klarer, warum er glaubte, den seiner Häscher, der ihm bei seiner ersten Gefangenschaft seine Nahrung brachte, zu kennen, und warum die undeutlich vernommenen Stimmen in seinem Herzen ein Echo gefunden hatten. Dieser Kerkermeister war Titscha gewesen; die Stimmen die Strigas und Natschas. Und auch der Schrei, den er in der Nacht vernommen hatte, war von Natscha gekommen, die vergeblich um Hilfe rief. Warum war er damals nicht zurückgeblieben! Wie viele Qualen hätte er sich erspart!
    Kaum hatte er la bei seiner Flucht in der Nacht die dunkle Masse des schwimmenden Gefängnisses erkannt, worin er, ohne es zu wissen, die zurückließ, die ihm über alles teuer war. Doch gleichviel, ihm würde auch jeder flüchtige Blick darauf
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