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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache
Autoren: C.J. Sansom
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seine Züge weicher machte, ihn gleichsam verjüngte. Bealknap machte kehrt und hastete in Richtung Kapelle davon. Der knauserige Sonderling hatte sich vor zwei Jahren mit einem kleinen Geldbetrag bei mir verschuldet. Bealknap, für den es eine Frage des Stolzes geworden war, sich niemals von seinem Geld zu trennen, pflegte seitdem, wann immer er meiner ansichtig wurde, auf dem Absatz kehrtzumachen und davonzueilen. Diese Gewohnheit sorgte inzwischen am Lincoln’s Inn für viel Gelächter. Offensichtlich ging er nun auch Barak aus dem Weg. Mein Gehilfe blieb stehen und blickte breit grinsend hinter dem Davoneilenden her. Ich war erleichtert; demnach war Tamasin nichts zugestoßen.
    Einige Minuten später trat Barak zu mir ins Zimmer. »Hast du die Protokolle abgegeben?«, fragte ich ihn.
    »Ja. Aber ich hatte Mühe, von Westminster aus ein Boot zu ergattern. Auf dem Fluss wimmelt es nur so von Koggen, die die Truppen mit Vorräten beliefern; die Fährboote mussten ans Ufer rudern, um ihnen auszuweichen. Am Tower liegt außerdem ein gewaltiges Kriegsschiff vertäut. Sie haben es wohl eigens von Deptford hergeschafft, damit die Leute es bestaunen können. Aber ich hörte nicht
einen
Jubelruf.«
    »Die Menschen haben sich eben an den Anblick gewöhnt. Als die
Mary Rose
und die
Great Harry
ausliefen, war es anders, da säumten noch Hunderte die Ufer, um ihnen zuzujubeln.« Ich deutete auf den Stuhl vor meinem Schreibtisch. »Nimm Platz. Wie geht es Tamasin heute?«
    Er setzte sich und lächelte verlegen. »Übellaunig ist sie. Die Hitze macht ihr zu schaffen, und ihre Füße sind geschwollen.«
    »Ist sie immer noch sicher, dass sie ein Mädchen erwartet?«
    »O ja. Sie hat irgendeine Zigeunerin gefragt, die gestern in Cheapside auf Geschäfte aus war; und die erzählte ihr natürlich, was sie hören wollte.«
    »Und du bist immer noch genauso sicher, dass es ein Knabe wird?«
    »Und ob.« Er schüttelte den Kopf. »Tammy gibt keine Ruhe, ums Verrecken nicht. Da mag ich predigen, sooft ich will, dass vornehme Damen acht Wochen vor der Niederkunft in ihren Gemächern bleiben und sich schonen – alles für die Katz!«
    »Noch acht Wochen?«
    »Guy hat es gesagt. Er kommt sie morgen besuchen. Außerdem sieht die Gevatterin Marris nach ihr. Tammy war froh, mich los zu sein. Sie sagt, ich bemuttere sie.«
    Ich lächelte. Ich wusste, dass Barak und Tamasin jetzt glücklich waren. Nach dem Tod ihres ersten Kindes hatten sie schwere Zeiten durchlebt, und Tamasin hatte ihn verlassen. Aber er hatte mit einer Beharrlichkeit um sie geworben, die ich ihm nicht zugetraut hätte. Ich hatte den beiden ganz in der Nähe zu einem Häuschen verholfen, und in Joans Freundin, der Gevatterin Marris, hatten sie eine tüchtige Wirtschafterin. Sie hatte sich ehedem als Säugamme verdingt und war an Kinder gewöhnt.
    Ich wies mit dem Kopf zum Fenster. »Ich habe gesehen, wie Bealknap sich trollte, als er deiner ansichtig wurde.«
    Er lachte. »Das tut er neuerdings immer. Gewiss hat er Angst, ich könnte ihn nach den drei Pfund fragen, die er Euch schuldet. Was für ein elender Geizkragen!« Seine Augen funkelten böse. »Ihr solltet vier von ihm fordern, den Schuldzins gleich mit dazu.«
    »Weißt du, manchmal frage ich mich, ob unser Freund Bealknap noch ganz bei Trost ist. Seit nunmehr zwei Jahren macht er sich zum Narren, indem er zuerst mir und jetzt auch dir aus dem Wege geht.«
    »Und scheffelt Geld dabei. Angeblich hat er einen Teil seines Goldschatzes an das Münzamt verkauft, um ihn neu prägen zu lassen und um nun, da Zinseinnahmen erlaubt sind, Geld an jene zu verleihen, die es brauchen, um ihre Steuern zu bezahlen.«
    »Ich weiß von Amtsbrüdern, die sich zu diesem Schritt genötigt sahen, um die Abgaben zu zahlen. Zum Glück hatte ich Gold genug. Doch Bealknaps Verhalten zeugt nicht von geistiger Gesundheit.«
    Barak sah mich durchdringend an. »Ihr seid allzu schnell bereit, die Leute für geisteskrank zu halten. Ihr verbringt zu viel Zeit mit Ellen Fettiplace. Sie hat Euch einen Brief geschickt. Habt Ihr ihn schon beantwortet?«
    Ich winkte ab. »Nicht schon wieder. Ja, das habe ich, morgen gehe ich zu ihr.«
    »Sie lebt zwar im Bedlam, hat Euch aber wie einen Fisch an der Angel.« Baraks Blick war ernst. »Ihr wisst, warum.«
    Ich wechselte das Thema. »Ich war vorhin spazieren. In den Feldern draußen findet eine Musterung statt. Der Hauptmann drohte, er werde einen jeden, der im Bogenschießen versagt, den Pikenieren
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