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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache
Autoren: C.J. Sansom
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Lehrburschen, auf der Suche nach französischen Spionen, eines Nachts vor zwei Monaten nicht davon abgehalten, sein Haus unweit der Old Barge zu verwüsten. Sie hatten sämtliche medizinischen Schriften, die er über die Jahre verfertigt hatte, in Fetzen gerissen und ihm sein gesamtes Inventar zertrümmert. Guy war nicht im Hause gewesen, sonst hätten sie ihm den Garaus gemacht. Dass Guy spanischer Herkunft war, hatte die Eindringlinge nicht weiter gestört; mit seinem dunklen Gesicht und der fremdländischen Art zu sprechen war er weithin bekannt. Seit ich ihn bei mir aufgenommen hatte, war er in eine tiefe Schwermut versunken, die mir Sorgen bereitete.
    Ich stellte meine Tasche auf den Boden. »Wie geht es dir, Guy?«
    Er hob die Hand zum Gruß. »Ich sitze hier schon den ganzen Tag. Es ist seltsam; ich dachte immer, ohne Arbeit würde die Zeit viel langsamer vergehen, dabei rinnt sie mir förmlich durch die Finger.«
    »Barak sagt, Tamasin mache die Hitze zu schaffen.«
    Mit Erleichterung bemerkte ich einen Funken Interesse in seinem Blick. »Ich sehe sie mir morgen an. Ich bin sicher, sie ist wohlauf, aber es wird sie beide beruhigen. Barak zumindest. Tamasin bewältigt ihre Schwangerschaft spielend.« Er zögerte. »Ich habe sie hierherbestellt, hoffentlich war das nicht anmaßend von mir.«
    »Aber nein. Und du bist mir hier willkommen, solange du willst, das weißt du doch.«
    »Danke. Wenn ich in mein Haus zurückkehre, geschieht ja doch bald wieder dasselbe. Die Stimmung gegen Fremde wird von Tag zu Tag giftiger. Schau dir das an.« Er deutete aus dem Fenster.
    Ich trat neben ihn und sah hinaus in den Garten. Mein Steward, William Coldiron, stand auf dem Fußweg; er hatte die Hände in die mageren Hüften gestemmt und das leichenblasse Gesicht mit den grauen Bartstoppeln grimmig verzogen. Meine zwei Küchenjungen, der lange vierzehnjährige Peter und der kleinere zwölfjährige Timothy, übten im Garten steif den soldatischen Stechschritt, ein jeder mit einem Besenstiel über der Schulter. Coldiron beobachtete die beiden scharf – mit einem Auge, das andere verdeckte ein großer schwarzer Flicken. »Rechts um, marsch!«, kommandierte er, und die Jungen gehorchten unbeholfen. Ich hörte Josephine aus der Küche rufen. Coldiron wandte jäh den Blick und entdeckte uns am Fenster der Wohnstube. Ich öffnete es und rief streng: »William!«
    Coldiron wandte sich an die Jungen. »Geht ins Haus und bereitet dem Herrn das Essen«, bellte er. »Wie komme ich dazu, hier meine Zeit mit euch zu verplempern!« Die Jungen sahen ihn entrüstet an.
    Ich wandte mich an Guy. »Herrgott, dieser Mensch!« Guy schüttelte müde den Kopf. Einen Augenblick später erschien Coldiron in der Tür. Er verneigte sich und nahm dann steif Haltung an. Wie immer vermied ich es, ihm ins Gesicht zu sehen. Eine lange, tiefe Narbe verlief vom schütteren Haaransatz quer über die Stirn und unter der Augenbinde hindurch bis hinunter zum Mundwinkel. Er habe vor dreißig Jahren, in der Schlacht bei Flodden gegen die Schotten, einen Schwerthieb einstecken müssen, hatte er mir erzählt. Und ich hatte den Entstellten aus lauter Mitleid in meine Dienste aufgenommen. Obendrein verlangte er nicht viel Lohn, und da ich dem König zwei große Steuerzahlungen schuldete, musste ich ein wenig haushalten mit meinem Geld. In Wirklichkeit aber hatte ich ihn von Anfang an nicht sonderlich gemocht.
    »Was hattet Ihr da draußen mit den Jungen zu schaffen?«, fragte ich. »Josephine sagt, es sei noch nichts für das Nachtmahl bereitet.«
    »Mit Verlaub, Sir«, entgegnete er gewandt. »Es war nur, weil ich Simon und Peter von meiner Soldatenzeit erzählen sollte. Gott segne die beiden, sie wollen ihr Land vor der Invasion schützen. Ich musste mit ihnen den Soldatendrill üben.« Er breitete die Hände aus. »Sie haben mir keine Ruhe gelassen. Dass ich einst gegen die Schotten kämpfte und deren König Jakob den Garaus machte, bringt ihr Blut in Wallung!«
    »Wollen sie uns etwa mit dem Besenstiel gegen die Franzosen verteidigen?«
    »Bald kommt die Zeit, da selbst solche Grünschnäbel zu Piken und Hellebarden greifen müssen. Die Schotten, heißt es, wollten wieder ihre alten Sperenzchen mit uns treiben, schickten sich an, gegen England zu ziehen, während die Franzmänner uns von Süden her bedrohen. Ich glaube den Gerüchten, denn ich kenne sie, die Rotschenkel. Und wenn ausländische Spitzel in London Feuer legen –« Sein Blick streifte Guy von der
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