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Der Pfad der Winde - Sanderson, B: Pfad der Winde - The Way of Kings - The Stormlight Archive, Book 1 (Part 2)

Der Pfad der Winde - Sanderson, B: Pfad der Winde - The Way of Kings - The Stormlight Archive, Book 1 (Part 2)

Titel: Der Pfad der Winde - Sanderson, B: Pfad der Winde - The Way of Kings - The Stormlight Archive, Book 1 (Part 2)
Autoren: Brandon Sanderson
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blaue Augen, was ihn von allen Schwierigkeiten befreite. Vielleicht hätte Schelm von der Bedeutung verwirrt sein sollen, die diese Menschen etwas so Gewöhnlichem wie der Augenfarbe beimaßen, aber er war schon an vielen Orten gewesen und hatte viele Herrschaftsmethoden gesehen. Diese hier schien nicht lächerlicher als die meisten anderen zu sein.
    Und natürlich gab es einen Grund für die Verhaltensweise der Leute. Nun, es gab eigentlich immer einen Grund. In diesem Fall war es zufällig ein sehr angenehmer.

    »Hellherr?«, fragte einer der Wächter und sah Schelm an, der auf einigen Kisten saß. Sie waren hier von einem Kaufmann gestapelt und zurückgelassen worden, der den Nachtwächtern ein gutes Trinkgeld dafür gegeben hatte, dass sie darauf aufpassten. Schelm dienten sie einfach als eine angenehme Sitzgelegenheit. Sein Reisesack stand neben ihm, und auf den Knien stimmte er sein Enthir, ein viereckiges Saiteninstrument. Man spielte es von oben und zupfte an den Saiten, während es auf dem Schoß lag.
    »Hellherr?«, wiederholte der Wächter. »Was macht Ihr da oben?«
    »Ich warte«, sagte Schelm. Er hob den Blick und schaute nach Osten. »Ich warte auf den Sturm.«
    Nun wurden die Wächter noch unruhiger. Für diese Nacht war kein Großsturm vorhergesagt.
    Schelm spielte auf seinem Enthir. »Wir sollten uns ein wenig unterhalten, um die Zeit zu vertreiben. Sagt mir: Was schätzen die Menschen an ihresgleichen?«
    Die Musik strömte einer Zuhörerschaft aus stillen Häusern, Gassen und ausgetretenen Pflastersteinen entgegen. Die Wächter gaben ihm keine Antwort. Sie schienen nicht zu wissen, was sie von diesem schwarz gekleideten, helläugigen Mann halten sollten, der die Stadt kurz vor Anbruch der Nacht betreten, sich dann auf die Kisten gesetzt und Musik gemacht hatte.
    »Also?«, fragte Schelm und hörte auf zu spielen. »Was glaubt ihr? Wenn ein Mann oder eine Frau ein Talent erhalten soll, welches ist das am höchsten geachtete, das am besten angesehene, das wertvollste?«
    »Äh … Musik?«, schlug schließlich einer der Männer vor.
    »Ja, das ist eine häufig gegebene Antwort«, sagte Schelm und zupfte noch ein paar tiefe Töne. »Ich habe diese Frage einmal einigen sehr weisen Gelehrten gestellt. Welches Talent betrachten die Menschen als das wertvollste? Einer erwähnte
künstlerische Fähigkeiten, wie ihr schon so scharfsinnig vermutet habt. Ein anderer nannte große Verstandeskräfte. Der Letzte war der Meinung, es sei das Talent zu erfinden – die Fähigkeit, große Geräte zu erschaffen und zu gestalten.«
    Er spielte keine besondere Melodie auf dem Enthir, sondern zupfte einfach nur hier und da eine Tonleiter oder einen Akkord. Es war wie Geplauder in musikalischer Form.
    »Ästhetisches Genie«, sagte Schelm, »Erfindungsgabe, Scharfsinn, Kreativität. Das sind wirklich hehre Ideale. Die meisten Menschen würden etwas davon auswählen, wenn sie die Gelegenheit dazu hätten, und dieses dann das größte aller Talente nennen.« Er zupfte eine Saite. »Was für wunderbare Lügner wir doch sind.«
    Die Wächter sahen einander an; die Fackeln, die in Halterungen an der Mauer brannten, bemalten sie mit orangefarbenem Licht.
    »Ich glaube, ich bin ein Zyniker«, sagte Schelm. »Ihr glaubt, ich werde euch sagen, dass die Menschen zwar behaupten, diese Ideale zu schätzen, insgeheim aber geringere Gaben begehren, zum Beispiel die Fähigkeit, viel Geld zusammenzukratzen oder Frauen zu bezaubern. Nun, ich bin durchaus ein Zyniker, aber in diesem Fall glaube ich wirklich, dass die Gelehrten aufrichtig waren. Ihre Antworten sprechen für die Seele des Menschen. Tief in unserem Herzen wollen wir an große Befähigungen und Tugenden glauben, und wir würden sie auch gewiss wählen. Aus diesem Grunde sind unsere Lügen – besonders jene, mit denen wir uns selbst belügen – auch so wunderbar.«
    Nun spielte er ein richtiges Lied. Zunächst war es eine einfache, sanfte und gedämpfte Melodie – ein Lied für die stille Nacht, in der sich die ganze Welt veränderte.
    Einer der Soldaten räusperte sich. »Was ist denn jetzt das wertvollste Talent, das ein Mensch haben kann?« Er klang aufrichtig neugierig.

    »Ich habe nicht die leiseste Ahnung«, antwortete Schelm. »Zum Glück war das nicht meine Frage. Ich habe ja nicht wissen wollen, was die wertvollste Gabe ist, sondern was die Menschen als die wertvollste Gabe betrachten . Der Unterschied zwischen diesen beiden Fragen ist einerseits ganz winzig,
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