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Der Paradies-Trick (Kindle Single) (German Edition)

Der Paradies-Trick (Kindle Single) (German Edition)

Titel: Der Paradies-Trick (Kindle Single) (German Edition)
Autoren: Barry Eisler
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Sie annulliert werden müssen. Verstehen Sie?«
    Sie sah ihn verärgert an. »Kent? Ich habe schon solo in Situationen operiert, in denen Sie nach dem einfühlsamen Schulleiter geplärrt hätten, der Ihnen damals im Internat die Tränen abgewischt hat, wenn sie Heimweh hatten.«
    Sie erwartete, eine gewisse Befriedigung darüber zu sehen, dass er mit der Andeutung, sie könne nicht auf sich selbst aufpassen, einen Nerv getroffen hatte. Aber er meinte lediglich: »In Ordnung. Es ist nur … ich wollte es gesagt haben, auch wenn ich sicher bin, dass es unnötig war.«
    Sie beobachtete ihn und hatte das Gefühl, dass seine Sorge echt war. Gleichzeitig befürchtete sie aber, manipuliert zu werden. »Ich komme schon zurecht.«
    Er trank seinen Martini aus. »Gut. Ach, und nur damit Sie Bescheid wissen. Der Schulleiter? Der war alles andere als einfühlsam.«

    Am nächsten Morgen schlenderte Delilah vom Bahnhof Charing Cross aus die Whitehall Street entlang. Es war wieder ein schöner Frühsommertag. Über den sanften blauen Himmel zogen langsam ein paar Wolken, und eine warme Sonne glich die kalte Brise aus. Sie trug passend zum Wetter zurückhaltenden Fotografenschick: künstlich gealterte, hautenge Jeans, Vintage-Seidentop mit hochgekrempelten Ärmeln, in Blau, zur Betonung ihrer Augen, dazu leichte Doc-Martens-Stiefel. Ihre Kameratasche und den größten Teil der Ausrüstung hatte sie in der Wohnung zurückgelassen – schließlich war sie nicht bei der Arbeit –, aber sie hatte sich die Nikon D4 mit 300-Millimeter-Telezoom um den Hals gehängt. Der Look war cool und unprätentiös – nichts, von dem Fatima sich bedroht oder herausgefordert fühlen konnte, sondern etwas, das in seiner lässigen Einfachheit authentisch und faszinierend wirkte.
    Die Protestaktion sollte mittags beginnen, und es war bereits 11.45 Uhr, doch sie sah keine Demonstranten – nur Touristen, die auf dem Weg nach Westminster Abbey und zum Big Ben zu sein schienen, und Spaziergänger, die das ungewöhnlich schöne Wetter genossen. Es gab viel Polizei, und sie entdeckte auch ein paar Sicherheitsbeamte in Zivil, aber das war bei einem Besuch des amerikanischen Verteidigungsministers nicht anders zu erwarten. Nichts davon wirkte wie eine Vorsichtsmaßnahme gegen eine Demonstration, die außer Kontrolle geraten könnte.
    Sie ging weiter und checkte ihre Umgebung. Die Geräusche klangen gedämpft – Lastwagen, Gespräche, eine entfernte Sirene. Sie spürte keinerlei Anzeichen von Anspannung oder bevorstehender Konfrontation in der Luft liegen. Die Downing Street, in der der Premierminister wohnte, war natürlich mit einem hohen Eisenzaun abgeriegelt, doch die niedrigen, soliden Gebäude und breiten Gehwege strahlten nichts von den Barrikaden und Bollwerken und dem allgemeinen Gefühl von Belagerungszustand aus, der inzwischen charakteristisch war für Washington und das Weiße Haus. Der Verkehr floss ganz normal vorbei. Touristen glotzten durch die Gitterstäbe. Nirgendwo Sturmgewehre oder Panzerwesten.
    Südlich der Downing Street wurde die Menge dichter, und viele der Leute schienen südostasiatischer und arabischer Abstammung zu sein, obwohl sich zwischen ihnen auch etliche weiße Hipstertypen tummelten. Delilah sah zusammengerollte Transparente und einige T-Shirts mit pinkfarbenen Fadenkreuzen auf Brust und Rücken. Sie schätzte die Menge auf etwa zweihundert Leute. Wenn das die Demonstration war, wirkte sie nicht übermäßig beeindruckend.
    Gleich südlich der Absperrung zur Downing Street sah sie einen Mann, vermutlich ein Pakistani – nach seiner dunklen Haut, dem Schnurrbart und der ausladenden Gestik zu schließen –, der mit einem bewaffneten Polizisten in Uniform palaverte. Der Pakistani trug eine Krawatte und ein schlecht sitzendes Jackett, und sie fragte sich, ob er wohl eine Art Demonstrationsführer war. Die Diskussion hatte etwas von einer Verhandlung an sich, wobei der Pakistani Frustration verströmte und der Polizist eine ruhige, unerschütterliche Gelassenheit. Nach einer Weile ließ der Pakistani die Schultern hängen. Er wandte sich ab und ging rasch ein Stück weiter, wo er mit zwei anderen Pakistanis konferierte, die ähnlich gekleidet waren wie er. Sie nickten, warfen dem Polizisten ärgerliche Blicke zu und begannen dann, wie wild auf ihren Mobiltelefonen zu schreiben.
    Delilah verstand. Die Demonstranten hatten die Erlaubnis erhalten, ihre Protestaktion zwischen der Downing Street und dem Parlament zu veranstalten,
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