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Der Paradies-Trick (Kindle Single) (German Edition)

Der Paradies-Trick (Kindle Single) (German Edition)

Titel: Der Paradies-Trick (Kindle Single) (German Edition)
Autoren: Barry Eisler
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wo der amerikanische Verteidigungsminister sie nicht übersehen konnte. Aber in letzter Minute, zweifellos unter Berufung auf Sicherheitsbedenken, hatte die Polizei ihnen mitgeteilt, dass sie sie verlegen mussten. Die Genehmigung war nicht vollständig widerrufen worden, denn das hätte in den Abendnachrichten nach einer polizeistaatlichen Maßnahme geklungen. Außerdem hätte unter den Protestierenden Unruhe ausbrechen können, wenn sie nichts mehr zu verlieren hatten. Stattdessen gab die Polizei ihnen eine Alternative: Veranstaltet eure Demonstration, wo wir es euch sagen, sonst werdet ihr verhaftet, und es gibt überhaupt keine Aktion. Der wahre Zweck der Übung war natürlich, die Organisatoren mürbe zu machen und so zu entmutigen, dass sie Zeit verschwendeten und den Eindruck erweckten, sie wären planlose, konfuse Verlierer. Delilahs eigene Regierung benutzte diese Taktik routinemäßig gegen Peace Now und andere israelische Protestgruppen. Sie wirkte fast immer und schien auch hier ihren Zweck zu erfüllen.
    Doch diese Gruppe musste außergewöhnlich gut organisiert sein, denn keine Minute, nachdem die drei Pakistanis ihre SMS abgeschickt hatten, begannen die Demonstranten, sich mit Macht auf der Whitehall Street nach Süden zu bewegen. Alles verlief zügig und geordnet. Delilah fragte sich, ob die Anführer eine Art Textcode verwendeten, auf den die Menge sich verlassen konnte – sonst wäre es für die Regierung ein Leichtes gewesen, falsche Mitteilungen zu versenden, um Verwirrung und Uneinigkeit zu stiften. Das war eine weitere Taktik, von der sie wusste, dass sie in Israel regelmäßig eingesetzt wurde und, wie sie vermutete, auch gegen die amerikanische Occupy-Bewegung. Wenn diese Leute schlau genug waren, einen Code zu verwenden, waren sie vermutlich auch clever genug, ihn nur einmal zu benutzen. Denn danach würde die Regierung, die ihre Telefone entweder in Kooperation mit den Telefongesellschaften oder durch direkte Infiltration abhörte, ihn ebenfalls kennen.
    Delilah folgte den Demonstranten und sah, dass sie sich auf dem Parliament Square neu formierten. Ihre erste Schätzung hatte zu niedrig gelegen, und sie korrigierte sich auf insgesamt etwa dreihundert. Trotzdem keine große Beteiligung, besonders bei diesem Wetter. Die Pakistanis und Araber waren in der Mehrzahl mittleren Alters und konservativ gekleidet. Die Weißen waren jünger und gaben Stirnbändern, Gesichtsbehaarung und Piercings den Vorzug. Die Pakistanis hielten Schilder in die Höhe, auf denen stand: Drohnen unterscheiden nicht , Stoppt den Kindermord und Verhaftet die Kriegsverbrecher . Den weißen Kids schien Aktionskunst mehr zu liegen. Sie warfen sich auf die Straße, und ihre Kameraden zeichneten wie an Tatorten die Umrisse ihrer Körper mit Kreide nach. Die Polizei ließ sie gewähren, als müsste man einen solchen zusammengewürfelten Haufen nicht besonders ernst nehmen. Die ganze Veranstaltung wirkte sinnlos. Würden der britische Premierminister und der amerikanische Verteidigungsminister sie überhaupt wahrnehmen, ganz zu schweigen von beachten? Es war ein Wunder, dass diese Leute sich überhaupt die Mühe machten und dass nicht mehr von ihnen selbst zu Terroristen wurden.
    Sie schoss ein paar Aufnahmen – Routine für jeden Berufsfotografen mit einem Funken Ehrgeiz. Eine Weile lang skandierten die Demonstranten: »So sieht eure Demokratie aus« und »Wem dient ihr, wen beschützt ihr?« Dann folgten ein paar ernsthafte Reden und Versuche, mit den paar Reportern zu sprechen, die sich die Mühe gemacht hatten zu kommen. Die Menge wurde nach und nach größer, und nach einer Stunde schätzte Delilah sie auf gut über tausend Personen. Auch die Atmosphäre hatte sich verändert – angespannter, erwartungsvoller, irgendwie entschlossener.
    Und dann sah sie, warum. Eine Frau mit vollen schwarzen Haaren, die ihr bis auf die Schultern fielen und in perfektem Kontrast standen zu ihrem atemberaubenden aquamarinblauen, halblangen Camilla-Olson-Kleid, schob sich durch die Menge nach vorn. Das war natürlich Fatima, und ob durch Zufall oder mit Absicht, sie war genau in dem Augenblick erschienen, als die Menge für ihre Anwesenheit besonders empfänglich war.
    Sie bewegte sich zuversichtlich und ohne Hast, wechselte hier ein paar Worte, tauschte dort ein paar Wangenküsse, und in ihrem Kielwasser schien eine Welle der Erregung durch die Menge zu laufen. Jemand reichte ihr ein Megafon, und eine Apfelsinenkiste wurde umgedreht auf
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