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Der Papalagi

Der Papalagi

Titel: Der Papalagi
Autoren: Erich Scheuermann
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und verehren und als Liebstes in unserem Herzen tragen. Gott ist nicht das Liebste im Herzen des Papalagi. Und deshalb tut er auch nicht seinen Willen, sondern den Willen des Aitu. Ich sage dies aus meinem Denken, daß der Papalagi uns das Evangelium gebracht hat als eine Art Tauschware, um dafür unsere Früchte und den größten und schönsten Teil unseres Landes an sich zu nehmen. Ich traue ihm dies wohl zu, denn ich habe viel Schmutz und viel Sünde im Herzen des Papalagi entdeckt und weiß, daß Gott uns mehr liebt als ihn, der uns den Wilden nennt, das heißt soviel wie den Menschen, der die Zähne des Tieres und kein Herz im Leibe hat.
    Aber Gott fährt in seine Augen und reißt sie auseinander, um ihn sehend zu machen. Er hat dem Papalagi gesagt: Sei du, was du sein willst. Ich mache dir keine Gebote mehr. Und da ging der Weiße und gab sich zu erkennen. O, Schande! O, Schrecken! – Mit schallender Zunge und stolzem Wort nahm er uns die Waffen, sprach mit Gott: Liebet einander. Und nun? – O Brüder, ihr hörtet die Schrekkenskunde, das gott-, lieb- und lichtlose Geschehen: Europa ermordet sich. Der Papalagi ist rasend geworden. Einer tötet den anderen. Alles ist Blut und Schrecken und Verderben. Der Papalagi gesteht endlich: ich habe keinen Gott in mir. Das Licht in seiner Hand ist am Erlöschen. Finsternis liegt auf seinem Wege, man hört nur das erschreckende Flügelschlagen der fliegenden Hunde und das Schreien der Eulen.
    Brüder, die Liebe Gottes erfüllt mich und die Liebe zu euch, darum gab Gott mir meine kleine Stimme, euch dies alles zu sagen, was ich euch gesagt habe. Damit wir stark bleiben in uns selber und nicht der schnellen und listigen Zunge des Papalagi unterliegen. Laßt uns fortan unsere Hände vorstrecken, wenn er uns naht und ihm zurufen: Schweige mit deiner lauten Stimme, deine Worte sind uns Brandungslärm und Palmenrauschen, aber nicht mehr, solange du selbst nicht ein frohes, starkes Gesicht und blanke Augen trägst, solange das Gottesbild nicht aus dir strahlt wie eine Sonne.
    Und wir wollen uns ferner schwören und ihm zurufen: Bleibe von uns mit deinen Freuden und Lüsten, deinem wilden Raffen nach Reichtum in den Händen oder nach Reichtum in dem Kopfe, deiner Gier mehr zu sein als dein Bruder, deinem vielen sinnlosen Tun, dem wirren Machen deiner Hände, deinem neugierigen Denken und Wissen, das doch nichts weiß. Allen deinen Narrheiten, die selbst deinen Schlaf auf der Matte ruhelos machen. Wir brauchen dies alles nicht und begnügen uns mit den edlen und schönen Freuden, die Gott uns in großer Zahl gab. Gott möge helfen, daß uns sein Licht nicht blendet und in die Irre führt, sondern daß es alle Wege klarmacht und wir in seinem Lichte gehen können und sein herrliches Licht in uns aufnehmen, das ist: uns untereinander lieben und viel Talofa im Herzen machen.
    Über dieses Buch, Nachwort von Bertolt Diel
D er Papalagi« – Die Reden des Südsee-Häuptlings Tuiavii aus Tiavea – das ist für die einen ein Signal, ein Begriff, für die andern ist es das Spinnig-Unbekannte. Exotisch ist gefragt.
    Es gilt, den Papalagi neu zu entdecken. Papalagi wird hierzulande wieder Fuß fassen, dessen bin ich sicher. Man weiß: Die Entwicklungen um uns in Europa herum, etwa in der Technik, sind rasant und anscheinend unaufhaltsam. Man weiß auch: Der Mensch und seine gesellschaftlichen Einrichtungen ändern sich langsam, mühsam, widersprüchlich. Anders gesagt: Die Technik hat das Antlitz der Erde und den Lauf unseres Lebens bis zur Unkenntlichkeit verändert. Kann uns das der Häuptling mit seinen Reden noch mehr ins Blickfeld bringen? (Als ob uns das alles nicht bewußt wäre!) Aber: könnte er, der Südseehäuptling, diese Welt überhaupt noch e r t r a g e n ?
    Scheurmann, der Herausgeber der ersten Ausgabe, beschreibt in seinem Vorwort, wie es zur Veröffentlichung des »Papalagi« kam. Das ist sehr lesenswert. Bei dieser ersten Ausgabe blieb es. Der »Reden-Sammler« und sein »Häuptling« gerieten in Vergessenheit. Die vorliegende Ausgabe enthält den Originaltext der ersten Ausgabe. Neu sind Gestaltung, Satz und die Illustrationen.
Die Reden sind ein Stück »exotischer Wirklichkeit«, empfunden und dargestellt am europäischen Kontinent. Menschlichkeit und Überzeugungskraft, Liebe und Einfachheit – Einfachheit, die wir Europäer (gibt es Europäer?) schon lange aus unserem Gesichtskreis vertrieben haben – haben in diesen Reden den Vorrang. Die Reden enthalten aber
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