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Der Papalagi

Der Papalagi

Titel: Der Papalagi
Autoren: Erich Scheuermann
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größer und stärker geworden sind, seit wir Gott als den großen, den größten Häuptling und Herrscher der Erde verehren. Ehrfürchtig und dankbar vernehmen wir seine klugen und großen Worte, die uns immer stärker in der Liebe machen, die uns immer mehr mit seinem großen Geiste füllen.
    Der Papalagi, sagte ich, brachte uns das Licht, das herrliche Licht, das in unser Herz hineinflammte und unsere Sinne mit Fröhlichkeit und Dankbarkeit erfüllte. – Er hatte das Licht früher als wir. Der Papalagi stand schon im Lichte, als die ältesten von uns noch nicht geboren waren. Aber er hält das Licht nur in ausgestreckter Hand, um anderen zu leuchten, er selber, sein Leib steht in der Finsternis, und sein Herz ist weit von Gott, obwohl sein Mund Gott ruft, weil er das Licht in Händen hält.
    Nichts ist mir schwerer und nichts erfüllt mein Herz mehr mit Trauer, ihr lieben Kinder der vielen Inseln, als euch dies zu künden. Aber wir dürfen und wollen uns nicht täuschen über den Papalagi, damit er uns nicht mit in seine Finsternis hineinzieht. Er hat uns Gottes Wort gebracht. Ja. Aber er selber hat Gottes Wort und seine Lehre nicht verstanden. Er hat sie mit dem Munde und seinem Kopfe verstanden, aber nicht mit seinem Leibe. Das Licht ist nicht in ihn eingedrungen, daß er es widerstrahle und, wohin er kommt, alles in Licht leuchte aus seinem Herzen. Dieses Licht, das man auch Liebe nennen kann.
    Er fühlt zwar diese Falschheit zwischen seinem Worte und Leibe nicht mehr. Aber du kannst es daran erkennen, daß kein Papalagi mehr das Wort Gott aussprechen kann aus seinem Herzen. Er verzieht das Gesicht dabei, als sei er müde oder als ginge ihn dieses Wort nichts an. Alle Weißen geben sich zwar den Namen Gotteskinder und lassen sich ihren Glauben von den weltlichen Häuptlingen auf Matten geschrieben bestätigen. Aber Gott ist ihnen dennoch fremd, und wenn auch jeder die große Lehre empfangen hat und jeder von Gott weiß. Selbst diejenigen, welche bestimmt sind, von Gott zu sprechen in den großen herrlichen Hütten, die ihm zu Ehren erbaut wurden, haben Gott nicht in sich, und ihr Sprechen nimmt der Wind und die große Leere. Die Gottessprecher erfüllen ihre Rede nicht mit Gott, sie sprechen wie die Wellen, die aufs Riff schlagen – keiner hört sie mehr und wenn sie auch ununterbrochen tosen.
    Ich darf dies sagen, ohne daß Gott mir zürnt: Wir Kinder der Inseln waren nicht schlechter, da wir die Sterne anbeteten und das Feuer, als der Papalagi jetzt ist. Denn wir waren schlecht und in der Dunkelheit, weil wir das Licht nicht kannten. Der Papalagi kennt aber das Licht und lebt dennoch in der Dunkelheit und ist schlecht. Das Schlechteste aber ist es, daß er sich Gotteskind und Christ nennt, uns glauben machen will, er sei das Feuer, weil er eine Flamme in Händen trägt.
    Der Papalagi besinnt sich selten auf Gott. Erst wenn ein Sturm ihn packt oder seine Lebensflamme erlöschen will, denkt er daran, daß es Mächte gibt, die über ihm sind und höhere Häuptlinge als er selber. Am Tage stört ihn Gott und hält ihn nur ab von seinen seltsamen Genüssen und Freuden. Er weiß, daß sie Gott nie gefallen können, und er weiß auch, daß, wenn Gottes Licht wirklich in ihm wäre, er sich in den Sand werfen müßte vor Scham. Denn nichts als Haß und Gier und Feindschaft erfüllt ihn. Sein Herz ist ein großer, spitzer Haken geworden, ein Haken nur für den Raub bestimmt, statt ein Licht zu sein, das die Dunkelheit forttut und alles erleuchtet und erwärmt.
    Christ nennt sich der Papalagi. Ein Wort wie ein schönster Sang. Christ. O könnten wir uns für alle Zeiten Christen nennen. Christ sein das heißt: Liebe zu dem großen Gotte und zu seinen Brüdern und dann erst zu sich selbst haben. Die Liebe – das ist das Gute tun – muß wie unser Blut in uns und ganz eins mit uns sein wie Kopf und Hand. Der Papalagi trägt das Wort Christ und Gott und Liebe nur in seinem Munde. Er schlägt mit seiner Zunge daran und macht viel Lärm damit. Aber sein Herz und seine Liebe beugt sich nicht vor Gott, sondern nur vor den Dingen, dem runden Metall und schweren Papier, vor dem Lustdenken, vor der Maschine, und kein Licht erfüllt ihn, sondern ein wilder Geiz um seine Zeit und die Narrheiten seines Berufes. Zehnmal eher geht er in den Ort des falschen Lebens als einmal zu Gott, der weit weit ist.
Liebe Brüder, der Papalagi hat heute mehr Götzen, als wir je gehabt haben, wenn dies ein Götze ist, was wir neben Gott anbeten
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