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Der Papalagi

Der Papalagi

Titel: Der Papalagi
Autoren: Erich Scheuermann
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besser ist dein Leben. Wenn du Geld hast, kannst du Tabak dafür haben, Ringe oder schöne Lendentücher. Du kannst soviel Tabak, Ringe oder Lendentücher haben, als du Geld hast. Hast du viel Geld, kannst du viel haben. Jeder möchte viel haben. Darum will auch jeder viel Geld haben. Und jeder mehr als der andere. Darum die Gierde danach und das Wachsein der Augen auf Geld zu jeder Stunde. Werfe ein rundes Metall in den Sand, die Kinder stürzen darüber, kämpfen darum, und wer es greift und hat, ist der Sieger, ist glücklich. – Man wirft aber selten Geld in den Sand.
    Woher kommt das Geld? Wie kannst du viel Geld bekommen? O auf vielerlei, auf leichte und schwere Weise. Wenn du deinem Bruder das Haar abschlägst, wenn du ihm den Unrat vor seiner Hütte fortträgst, wenn du ein Canoe über das Wasser lenkst, wenn du einen starken Gedanken hast. – Ja, es muß der Gerechtigkeit wegen gesagt sein: wenn auch alles viel schweres Papier und rundes Metall erfordert, leicht kannst du auch für alles solches bekommen. Du brauchst nur ein Tun zu machen, was sie in Europa »arbeiten« nennen. »Arbeite, dann hast du Geld«, heißt eine Sittenregel in Europa.
    Dabei herrscht nun eine große Ungerechtigkeit, über die der Papalagi nicht nachdenkt nicht nachdenken will, weil er seine Ungerechtigkeit dann einsehen müßte. Nicht alle, welche viel Geld haben, arbeiten auch viel. (Ja, alle möchten viel Geld haben, ohne zu arbeiten Und das kommt so: wenn ein Weißer soviel Geld verdient, daß er sein Essen hat seine Hütte und Matte und darüber hinaus noch etwas mehr, läßt er sofort für das Geld, was er mehr hat, seinen Bruder arbeiten. Für sich. Er gibt ihm zunächst die Arbeit, welche seine eigenen Hände schmutzig und hart gemacht hat. Er läßt ihn den Kot forttragen, den er selber verursacht hat. Ist er ein Weib, so nimmt es sich ein Mädchen als seine Arbeiterin. Es muß ihm die schmutzige Matte reinigen, die Kochgeschirre und Fußhäute, es muß die zerrissenen Lendentücher wieder heilen und darf nichts tun, was ihm nicht dient. Nun hat er oder sie Zeit für größere, stärkere und fröhlichere Arbeit, bei der die Hände sauberer bleiben und die Muskeln froher, und – für die mehr Geld bezahlt wird. Ist er ein Bootsbauer, so muß ihm der andere helfen, Boote zu bauen. Von dem Gelde, das dieser durch das Helfen macht, und daher eigentlich ganz haben sollte, nimmt er ihm einen Teil ab, den größten, und sobald er nur kann, läßt er zwei Brüder für sich arbeiten, dann drei, immer mehr müssen für ihn Boote bauen, schließlich hundert und noch mehr. Bis er gar nichts mehr tut, als auf der Matte liegen, europäische Kava trinken und Rauchrollen verbrennen, die fertigen Boote abgeben und sich das Metall und Papier bringen lassen, das andere für ihn erarbeiteten. – Dann sagen die Menschen: er ist reich. Sie beneiden ihn und geben ihm viele Schmeicheleien und klingende Wohlreden. Denn das Gewicht eines Mannes in der weißen Welt ist nicht sein Adel oder sein Mut oder der Glanz seiner Sinne, sondern die Menge seines Geldes, wieviel er davon an jedem Tage machen kann, wieviel er in seiner dicken eisernen Truhe, die kein Erdbeben zerstören kann, verschlossen hält.
    Es gibt viele Weiße, die häufen das Geld auf, welches andere für sie gemacht haben, bringen es an einen Ort, der gut behütet ist, bringen immer mehr dahin, bis sie eines Tages auch keine Arbeiter mehr für sich brauchen, denn nun arbeitet das Geld selbst für sie. Wie dies möglich ist, ohne eine wilde Zauberei, habe ich nie ganz erfahren; aber es ist in Wahrheit so, daß das Geld immer mehr wird wie Blätter an einem Baum und daß der Mann reicher wird, selbst wenn er schläft.
    Wenn nun einer viel Geld hat, viel mehr als die meisten Menschen, soviel, daß hundert, ja tausend Menschen sich ihre Arbeit damit leicht machen könnten – er gibt ihnen nichts; er legt seine Hände um das runde Metall und setzt sich auf das schwere Papier mit Gier und Wollust in seinen Augen. Und wenn du ihn fragst: »Was willst du mit deinem vielen Gelde machen? Du kannst hier auf Erden doch nicht viel mehr als dich kleiden, deinen Hunger und Durststillen?« – So weiß er dir nichts zu antworten, oder er sagt: »Ich will noch mehr Geld machen. Immer mehr. Und noch mehr.« Und du erkennst bald, daß das Geld ihn krank gemacht hat, daß alle seine Sinne vom Geld besessen sind.
    Er ist krank und besessen, weil er seine Seele an das runde Metall und schwere Papier
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