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Der Papalagi

Der Papalagi

Titel: Der Papalagi
Autoren: Erich Scheuermann
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über allem, ohne einen Baum, ohne Himmelsblau, ohne klare Luft und Wolken – dies alles ist das, was der Papalagi eine »Stadt« nennt. Seine Schöpfung, auf die er sehr stolz ist. Obgleich hier Menschen leben, die nie einen Baum, nie einen Wald, nie einen freien Himmel, nie den großen Geist von Angesicht zu Angesicht sahen. Menschen, die leben wie die Kriechtiere in der Lagune, die unter den Korallen hausen, obgleich diese noch das klare Meerwasser umspült und die Sonne doch hindurchdringt mit ihrem warmen Munde. Ist der Papalagi stolz auf die Steine, die er zusammentrug? Ich weiß es nicht. Der Papalagi ist ein Mensch mit besonderen Sinnen. Er tut vieles, das keinen Sinn hat und ihn krank macht, trotzdem preist er es und singt sich selber ein schönes Lied darauf.
    Die Stadt ist also dies, wovon ich sprach. Es gibt aber viele Städte, kleine und große. Die größten sind solche, wo die höchsten Häuptlinge eines Landes wohnen. Alle Städte liegen verstreut wie unsere Inseln im Meere. Sie liegen oft nur einen Badeweg, oft aber eine Tagereise weit auseinander. Alle Steininseln sind miteinander verbunden durch gekennzeichnete Pfade. Du kannst aber auch mit einem Landschiff fahren, das dünn und lang ist wie ein Wurm, das ständig Rauch ausspeit und auf langen Eisenfäden sehr schnell gleitet, schneller wie ein Zwölfsitzerboot in voller Fahrt. Willst du aber deinen Freund auf einer anderen Insel nur ein Talofa 1 zurufen, so
    1
    Sam. Gruß. – Wörtlich übersetzt: Ich liebe dich
    brauchst du nicht zu ihm zu gehen oder zu gleiten. – Du bläst deine Worte in metallene Fäden, die wie lange Lianen von einer Steininsel zur anderen gehen. Schneller als ein Vogel fliegen kann, kommen sie an den Ort, den du bestimmt hast.
    Zwischen allen Steininseln ist das eigentliche Land, ist das, was man Europa nennt. Hier ist das Land teilweise schön und fruchtbar wie bei uns. Es hat Bäume, Flüsse und Wälder, und hier gibt es auch kleine richtige Dörfer. Sind die Hütten darin auch aus Stein, so sind sie doch vielfach mit fruchttragenden Bäumen umgeben, der Regen kann sie von allen Seiten waschen und der Wind sie wieder trocknen.
    In diesen Dörfern leben andere Menschen mit anderen Sinnen als in der Stadt. Man nennt sie die Landmenschen. Sie haben gröbere Hände und schmutzigere Lendentücher als die Spaltenmenschen, obgleich sie viel mehr zu essen haben als diese. Ihr Leben ist viel gesünder und schöner als das der Spaltenmenschen. Aber sie selber glauben es nicht und beneiden jene, die sie Nichtstuer nennen, weil sie nicht auch in die Erde fassen und Früchte hineinund herauslegen. Sie leben in Feindschaft mit ihnen, denn sie müssen ihnen Nahrung geben von ihrem Lande, müssen die Früchte abpflücken, die der Spaltenmensch ißt, müssen das Vieh hüten und aufziehen, bis es fett ist und auch hiervon ihm die Hälfte abgeben. Jedenfalls haben sie viele Mühe davon, für alle die Spaltenmenschen das Essen aufzutreiben, und sie sehen es nicht recht ein, warum diese schönere Lendentücher tragen als sie selber und schönere weiße Hände haben und nicht in der Sonne viel schwitzen und im Regen viel frieren müssen wie sie.
    Den Spaltenmensch kümmert dies aber sehr wenig. Er ist überzeugt, daß er höhere Rechte hat als der Landmensch und seine Werke mehr Wert haben als Früchte in die Erde legen oder herausheben. Dieser Streit zwischen beiden Parteien ist nun auch nicht so, daß es zwischen ihnen zum Kriege kommt. Im allgemeinen findet der Papalagi, ob er zwischen Spalten lebt oder auf dem Lande, alles gut, wie es ist. Der Landmensch bewundert das Reich des Spaltenmenschen, wenn er hineinkommt, und der Spaltenmensch singt und gurgelt hohe Töne, wenn er durch die Dörfer des Landmenschen zieht. Der Spaltenmensch läßt den Landmenschen Schweine künstlich fett machen, dieser den Spaltenmenschen seine Steintruhen bauen und lieben.
    Wir aber, die wir freie Kinder der Sonne und des Lichtes sind, wollen dem großen Geiste treu bleiben und ihm nicht das Herz mit Steinen beschweren. Nur verirrte, kranke Menschen, die Gottes Hand nicht mehr halten, können zwischen Steinspalten ohne Sonne, Licht und Wind glücklich leben. Gönnen wir dem Papalagi sein zweifelhaftes Glück, aber zertrümmern wir ihm jeden Versuch, auch an unsern sonnigen Gestaden Steintruhen aufzurichten und die Menschenfreude zu töten mit Stein, Spalten, Schmutz, Lärm, Rauch und Sand, wie es sein Sinn und Ziel ist.
    Vom runden Metall und schweren
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