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Der Papalagi

Der Papalagi

Titel: Der Papalagi
Autoren: Erich Scheuermann
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Wahrheit spreche, wenn ich euch sage, daß das Geld nie froher und glücklicher macht, wohl aber das Herz und den ganzen Menschen in arge Wirrnis bringt, daß man mit Geld nie einem Menschen wirklich helfen, ihn froher, stärker und glücklicher machen kann – so werdet ihr das runde Metall und schwere Papier hassen als eueren schwersten Feind.
Die vielen Dinge machen den Papalagi arm

    U nd auch daran erkennt ihr den Papalagi, daß er uns aufreden will, wir seien arm und elend und brauchen viele Hilfe und Mitleid, weil wir keine Dinge haben.
    Laßt euch von mir berichten, ihr lieben Brüder der vielen Inseln, was dies ist ›ein Ding‹. – Die Kokosnuß ist ein Ding, der Fliegenwedel, das Lendentuch, die Muschel, der Fingerring, die Essensschale, der Kopfschmuck, alles dies sind Dinge. Es gibt aber zweierlei Dinge. Es gibt Dinge, die der große Geist macht, ohne daß wir es sehen und die uns Menschen keinerlei Mühe und Arbeit kosten, wie die Kokosnuß, die Muschel, die Banane – und es gibt Dinge, die die Menschen machen, die viele Mühe und Arbeit kosten, wie der Fingerring, die Essensschale oder der Fliegenwedel. Der Alii meint also die Dinge, welche er selbst mit seinen Händen macht, die Menschendinge, sie fehlen uns; denn die Dinge des großen Geistes kann er doch nie meinen. Ja, wer ist reicher und wer hat mehr Dinge des großen Geistes als wir? – Werft eure Augen in die Runde, bis in die Weite, wo der Erdrand das große, blaue Gewölbe trägt. Alles ist voll der großen Dinge: der Urwald mit seinen wilden Tauben, den Kolibris und Papageien, die Lagune mit ihren Seegurken, Muscheln und Langusten und anderem Wassergetier, der Strand mit seinem hellen Gesicht und dem weichen Fell seines Sandes, das große Wasser, das zornen kann wie ein Krieger und lächeln wie eine Taopou, das große blaue Gewölbe, das sich wandelt zu jeder Stunde und große Blüten trägt, die uns goldenes und silbernes Licht bringen. – Was sollen wir töricht sein und noch viele Dinge zu diesen Dingen machen, neben diesen erhabenen Dingen des großen Geistes? Wir können es ihm doch nie gleich tun, denn unser Geist ist viel zu klein und schwach gegen die Macht des großen Geistes, und auch unsere Hand ist viel zu schwach gegen seine mächtige, große Hand. Alles was wir machen können, ist nur gering und nicht viel wert darüber zu sprechen. Wir können unseren Arm verlängern durch eine Keule, wir können unsere hohle Hand vergrößern durch eine Tanoa 1 ; aber noch kein Samoaner und auch kein Papalagi hat je eine Palme gemacht oder den Strunk einer Kava.
    Der Papalagi glaubt freilich, er könne solche Dinge bereiten, er sei stark wie der große Geist. Und tausend und tausend Hände tun darum nichts anderes vom Sonnenaufgang bis zum Untergang als Dinge bereiten. Menschendinge, deren Zweck wir nicht kennen, und deren Schönheit wir nicht wissen. Und
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    Eine vielbeinige Holzschale, in der das Nationalgetränk bereitet wird
    auf immer mehr und immer neue Dinge sinnt der Papalagi. Seine Hände fiebern, sein Gesicht wird grau wie Asche und sein Rücken gebogen; aber er leuchtet in Glück, wenn ihm ein neues Ding gelingt. Und alsogleich wollen alle das neue Ding haben, und sie beten es an, stellen es vor sich hin und besingen das Ding in ihrer Sprache.
    O ihr Brüder, wenn ihr mir doch zu glauben vermöchtet: Ich bin hinter die Gedanken des Papalagi gekommen und habe seinen Willen gesehen, als beleuchte ihn die Sonne zur Mittagsstunde. Weil er des großen Geistes Dinge zertrümmert, wo er hinkommt, will er das, was er tötet, wieder lebendig machen aus eigener Kraft, und dabei macht er sich selber glauben, er selbst sei der große Geist, weil er die vielen Dinge macht.
    Brüder, denkt euch, in nächster Stunde käme der große Sturm und risse den Urwald und seine Berge fort, mit allem Laub und Bäumen, er nähme mit sich fort alle Muscheln und alles Getier der Lagune, und es gäbe nicht eine Hibiskusblume mehr, mit der unsere Mädchen ihre Haare schmücken könnten, – alles, alles, was wir sehen, verschwände, und es bliebe nichts als der Sand, und die Erde gliche einer flachen ausgestreckten Hand oder einem Hügel, über den glühende Lava floß – wie würden wir wehklagen nach der Palme, der Muschel, dem Urwalde, nach

    allem. – Wo die vielen Hütten der Papalagi stehen, welche Stellen sie Städte nennen, ist aber auch das Land so öde wie eine flache Hand, und darum auch ward der Papalagi irre und spielt den großen Geist,
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