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Der Papalagi

Der Papalagi

Titel: Der Papalagi
Autoren: Erich Scheuermann
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ihr Leben mit nichts anderem zubringen, als Haare in bunte Säfte zu tauchen und damit schöne Spiegelbilder auf weiße Matten zu werfen. Sie schreiben alle schönen Gottesdinge auf, so bunt und herzlich froh, als sie es nur vermögen. Sie formen auch Menschen aus weicher Erde, ohne Lendentücher, Mädchen mit der schönen, freien Bewegung der Taopou von Matautu 21 oder Männergestalten, die Keulen schwingen, den Bogen spannen oder der wilden Taube im Walde nachspähen. Menschen aus Erde, denen der Papalagi besondere große Festhütten baut, wohin die Leute von weither kommen, um ihre Heiligkeit und Schönheit zu genießen. Sie stehen davor, dicht in ihre vielen Lendentücher gehüllt, und erschauern, ich habe den Papalagi weinen sehen vor Freude an solcher Schönheit, die er selber verloren hat.
    1 Die Dorfschaften Samoas kommen sehr oft zusammen, um gemeinsam zu spielen oder sich am Tanze zu erfreuen. Der Tanz wird von Jugend auf gepflegt. Jedes Dorf hat seine Lieder und seinen Dichter. Am Abend ertönt in jeder Hütte Gesang. Er ist wohltönend durch die vokalreiche Sprache, aber auch durch das selten feine Klangempfinden des Insulaners
    Nun möchten die weißen Menschen uns ihre Schätze bringen, damit auch wir reich sein sollen – ihre Dinge. Aber diese Dinge sind nichts als giftige Pfeile, an denen der stirbt, in dessen Brust sie hangen. »Wir müssen ihnen Bedürfnisse aufzwingen«, hörte ich einen Mann sagen, der unser Land gut kennt. Bedürfnisse – das sind Dinge. »Dann werden sie arbeitswilliger sein«, sagte der kluge Mann weiter. Und er meinte, wir sollten auch die Kräfte unserer Hände dazu geben, Dinge zu machen, Dinge für uns, in erster Linie aber für den Papalagi. Auch wir sollen müde, grau und gebeugt werden.
    Brüder der vielen Inseln, wir müssen wach sein und helle Sinne haben, denn die Worte des Papalagi scheinen süße Bananen, aber sie sind voll heimlicher
    1
    Dorf bei Upolu
    Speere, die alles Licht und alle Freude in uns töten möchten. Vergessen wir nie, daß wir nur wenige Dinge brauchen außer den Dingen des großen Geistes. Er hat uns die Augen gegeben, seine Dinge zu sehen. Und es gehört mehr als ein Menschenleben dazu, sie alle zu sehen. Und es ist nie eine größere Unwahrheit aus dem Munde des weißen Mannes gekommen, als die: des großen Geistes Dinge seien ohne Nutzen und seine eigenen Dinge hätten viel Nutzen, hätten mehr Nutzen. – Ihre eigenen Dinge, die so groß sind an Zahl, die blitzen und funkeln und vielfach liebäugeln und für sich werben, haben noch keinen Papalagi schöner von Leib gemacht, seine Augen nicht leuchtender und seine Sinne nicht stärker. Also nützen seine Dinge auch nichts und also ist das, was er sagt und uns aufdrängen will, schlechten Geistes und sein Denken mit Gift getränkt.
    Der Papalagi hat keine Zeit
D er Papalagi liebt das runde Metall und das schwere Papier, er liebt es, viel Flüssigkeiten von getöteter Frucht und Fleisch von Schwein und Rind und anderen schrecklichen Tieren in seinen Bauch zu tun, er liebt vor allem aber auch das, was sich nicht greifen läßt und das doch da ist – die Zeit. Er macht viel Wesens und alberne Rederei darum. Obwohl nie mehr davon vorhanden ist, als zwischen Sonnenaufgang und Untergang hineingeht, ist es ihm doch nie genug.
    Der Papalagi ist immer unzufrieden mit seiner Zeit, und er klagt den großen Geist dafür an, daß er nicht mehr gegeben hat. Ja, er lästert Gott und seine große Weisheit, indem er jeden neuen Tag nach einem ganz gewissen Plane teilt und zerteilt. Er zerschneidet ihn geradeso, als führe man kreuzweise mit einem Buschmesser durch eine weiche Kokosnuß. Alle Teile haben ihren Namen: Sekunde, Minute, Stunde. Die Sekunde ist kleiner als die Minute, diese kleiner als die Stunde; alle zusammen machen die Stunden, und man muß sechzig Minuten und noch viel mehr Sekunden haben, ehe man soviel hat wie eine Stunde.
    Das ist eine verschlungene Sache, die ich nie ganz verstanden habe, weil es mich übel anmacht, länger als nötig über solcherlei kindische Sachen nachzusinnen. Doch der Papalagi macht ein großes Wissen daraus. Die Männer, die Frauen und selbst Kinder, die kaum auf den Beinen stehen können, tragen im Lendentuch, an dicke metallene Ketten gebunden und über den Nacken hangend oder mit Lederstreifen ums Handgelenk geschnürt, eine kleine, platte, runde Maschine, von der sie die Zeit ablesen können. Dieses Ablesen ist nicht leicht. Man übt es mit den Kindern, indem
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