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Der Papalagi

Der Papalagi

Titel: Der Papalagi
Autoren: Erich Scheuermann
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damit er vergessen kann, was er nicht hat. Weil er so arm ist und sein Land so traurig, greift er nach den Dingen, sammelt sie, wie der Narr welke Blätter sammelt, und überfüllt seine Hütte damit. Darum aber beneidet er auch uns und wünscht, daß auch wir arm würden wie er selber.
    Es ist eine große Armut, wenn der Mensch viele Dinge braucht; denn er beweist damit, daß er arm ist an Dingen des großen Geistes. Der Papalagi ist arm, denn er ist besessen auf das Ding. Er kann ohne das Ding nicht mehr leben. Wenn er sich aus dem Rücken der Schildkröte ein Werkzeug macht, seine Haare zu glätten, wenn er Öl aufgetragen hat, macht er noch eine Haut für das Werkzeug, für die Haut eine kleine Truhe, für die kleine Truhe noch eine große Truhe. Er tut alles in Häute und Truhen. Es gibt Truhen für Lendentücher, für Obertücher und Untertücher, für Waschtücher, Mundtücher und andere Tücher, Truhen für die Handhäute und Fußhäute, für das runde Metall und schwere Papier, für die Essensvorräte und für das heilige Buch, für alles und alles. Er macht aus allen Dingen, wo eines genügt, viele Dinge. Gehst du in ein europäisches Kochhaus, so siehst du so viele Essensschalen und Kochwerkzeuge, wie nie gebraucht werden. Und für jedes Essen gibt es eine andere Tanoa, für das Wasser eine andere als für die europäische Kawa, für die Kokosnuß eine andere als für die Taube.
    Eine europäische Hütte hat so viele Dinge, daß, wenn auch jeder Mann eines Samoadorfes seine Hände und Arme beladen würde, doch nicht das ganze Dorf genüge, sie alle davonzutragen. In einer einzigen Hütte sind so viele Dinge, daß viele weiße Häuptlinge viele Männer und Frauen brauchen, die nichts tun, als diese Dinge dahin zu stellen, wohin sie gehören und sie vom Sande zu reinigen. Und selbst die höchste Taopou gibt viele Zeit daran, alle ihre vielen Dinge zu zählen, zu rücken und zu reinigen.
    Brüder, ihr wißt, ich lüge nicht und sage euch alles, wie ich es in Wahrheit erschaut, ohne daß ich hinzutue oder abnehme. So glaubt mir, daß es in Europa Menschen gibt die sich das Feuerrohr an die eigene Stirn halten und sich töten, weil sie lieber nicht leben wollen als ohne Dinge. Denn der Papalagi berauscht auf vielfache Weise seinen Geist, und so redet er sich auch ein, er könne nicht ohne die Dinge sein, wie kein Mensch sein kann ohne ein Essen.
    Ich habe darum auch nie in Europa eine Hütte gefunden, wo ich gut auf der Matte lagern konnte, wo nichts meine Glieder beim Ausstrecken störte. Alle Dinge sandten Blitze oder schrien laut mit dem Mund ihrer Farbe, so daß ich meine Augen nicht schließen konnte. Nie konnte ich rechte Ruhe finden, und nie sehnte ich mich mehr nach meiner Hütte in Samoa, worin keine Dinge sind als meine Matten und die Schlafrolle, wo nichts zu mir kommt als der milde Passat des Meeres.
    Wer wenig Dinge hat, nennt sich arm und trauert. Es gibt keinen Papalagi, der singt und frohe Augen macht, wenn er auch nichts als seine Matte und Essensschüssel hat wie jeder von uns. Die Männer und Frauen der weißen Welt würden in unseren Hütten wehklagen, sie würden eilen, Holz aus dem Walde zu holen und das Gehäuse der Schildkröte, Glas, Draht und bunte Steine und noch viel mehr und würden vom Morgen bis zur Nacht ihre Hände bewegen, so lange, bis ihr Samoahaus sich gefüllt hätte mit kleinen und großen Dingen. Dinge, die alle leicht zerfallen, die jedes Feuer und jeder große Tropenregen zerstören kann, daß immer neue gemacht werden müssen.
    Je mehr einer ein rechter Europäer ist, desto mehr Dinge gebraucht er. Darum ruhen die Hände des Papalagi nie im Machen von Dingen. Deshalb sind die Gesichter der Weißen oft so müde und traurig, und darum kommen auch nur die wenigsten unter ihnen dazu, die Dinge des großen Geistes zu sehen, auf dem Dorfplatze zu spielen, frohe Lieder zu dichten und zu singen oder an den Sonntagen im Lichte zu tanzen und sich vielfach ihrer Glieder zu freuen, wie uns allen bestimmt ist 1 . Sie müssen Dinge machen. Sie müssen ihre Dinge behüten. Die Dinge hangen sich an sie und bekriechen sie wie die kleine Sandameise. Sie begehen kalten Herzens alle Verbrechen, um zu den Dingen zu kommen. Sie bekriegen einander, nicht um der Mannesehre halber, oder um ihre wirkliche Kraft zu messen, allein um der Dinge willen.
    Trotzdem – sie alle wissen die große Armut ihres Lebens, sonst würde es nicht so viele Papalagi geben, die große Ehren genießen, weil sie
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