Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Olivenhain

Der Olivenhain

Titel: Der Olivenhain
Autoren: Courtney Miller Santo
Vom Netzwerk:
Hashmi und ihren Kindern zu erzählen und dass lichte Momente bei Frank so selten waren.
    Guy unterbrach sie. »Gehen Sie ihm nach«, sagte er. »Ich komme allein zurecht. Ich kann den Fluss von hier aus sehen und rieche die frische Luft. Nicht ein Hauch von Desinfektionsmittel.«
    Als sie Frank erreichte, stand er auf dem Weg, der am Fluss entlangführte. Sie ließ ihre Hand in seine gleiten und erkannte, warum der Park so leer war. Die Gewitter des vergangenen Monats hatten den Fluss über die Ufer treten lassen. Der Grünstreifen, auf dem die Kinder und Jugendlichen normalerweise ihre Decken ausbreiteten und spielten, war überflutet. Das Wasser plätscherte gegen die Begrenzung des Spielplatzes und durchweichte die fünfzehn Zentimeter dicke Schicht Rindenmulch, der die Kinder vor Verletzungen schützen sollte.
    Die wenigen anderen Autos auf dem Parkplatz gehörten Menschen, die einen Ort zum Nachdenken gesucht hatten. Sie warf einen Blick über die Schulter zurück, um nach Guy zu schauen. Sie hatte ihren Skylark so geparkt, dass der Fluss zu sehen war. Sie sah Guys Gesicht, kugelrund, in ihre Richtung blicken.
    »Ich muss mit dir über die Jungs sprechen«, sagte sie.
    »Wie geht es Callie? Ich mache mir Sorgen um sie und Deb. Wann ist noch mal der Anhörungstermin?«
    Elizabeth drückte seine Hand. Sie wollte ihm von diesem Frühjahr erzählen, von Debs Flucht, Erins Baby, der bevorstehenden Reise nach Australien und den unglaublichen Neuigkeiten über Anna, doch sie durfte keine Zeit damit vergeuden. Denn er musste über Callie Bescheid wissen, wissen, dass sie endlich glücklich war.
    »Deine Tochter ist verliebt«, sagte sie. »Sie benimmt sich wie ein Teenager, aber er ist ein guter Mann, ein Wissenschaftler, verwitwet.«
    »Kommt er von weit her? Pakistan? Indien? Habe ich ihn schon einmal gesehen?« Franks blaue Augen forschten unruhig in ihrem Gesicht. »Das habe ich doch, oder?«
    Elizabeth versicherte ihm schnell, dass er ihn kannte. »Er gehört jetzt zu uns. Deswegen muss ich ja mit dir sprechen. Er hat einige Tests bei uns gemacht …«
    »Geht es dir gut? Hast du Krebs? Wirst du sterben?« Franks Stimme schnellte nach oben, er klang wie ein Kind.
    »Nein. Ganz im Gegenteil. Der Doktor hat Anna weitere dreißig Jahre prophezeit und mir fünfzig – wenn ich will«, sagte Elizabeth.
    »Das ist noch mal ein ganzes Leben«, sagte er.
    »Er weiß über die Jungs Bescheid, Frank. Er weiß, was ich getan habe, um sie zu bekommen.«
    Frank kniff die Augen zusammen und richtete sich auf, indem er die Schulterblätter zusammenzog. Diese Haltung war ihm in der Highschool beigebracht worden, als sämtliche jungen Männer auf den Krieg eingeschworen wurden. »Warum hat er die Jungs untersucht? Jeder weiß doch, dass es nicht die Männer sind, die lange leben. Man muss sich ja nur euch Keller-Frauen ansehen.«
    »Sie haben Töchter, weißt du. Deine Söhne sind inzwischen Großväter.« Selbst für sie war es manchmal schwer, sich vor Augen zu führen, dass aus ihren ungehobelten Jungs inzwischen Männer geworden waren, die ihre Haare verloren und künstliche Hüftgelenke hatten.
    »Wenn sie tatsächlich schon so alt sind, dann sind sie auch alt genug, um zu wissen, dass ich nicht ihr Vater bin.«
    Elizabeth hatte sich eine eindeutigere Antwort von ihm erhofft. »Aber du bist trotzdem ihr Vater.«
    »Ich bin gar nichts«, entgegnete Frank.
    Sie blickten eine Weile auf das Wasser. Elizabeth fragte sich oft, ob sich Frank seines Gedächtnisverlusts bewusst war. Er bückte sich und hob ein paar Steine und Betonstücke auf, die auf dem Weg lagen, und begann, sie in den Fluss zu werfen. Mit jedem Stein, der auf die Wasseroberfläche klatschte, spürte Elizabeth ihre Gelegenheit schwinden. Sie legte ihm eine Hand auf den Arm, um ihn daran zu hindern, die letzten Stückchen in den Fluss zu werfen.
    In einem einzigen Atemzug fragte sie ihn: »Soll ich den Jungs sagen, dass du nicht ihr Vater bist?«
    Frank schleuderte die gesamte Handvoll Steine ins Wasser, und sie trafen wie eine Ladung Schrot auf der Oberfläche auf. Die Wucht traf Elizabeth mitten ins Herz. Sie wünschte, er wäre fünfzig Jahre später geboren, damit er sich niemals zwischen Familie und Liebe hätte entscheiden müssen. Nein, das stimmte nicht. Frank liebte sie. Es war nur einfach nicht die gleiche Form von Liebe, wie sie andere verheiratete Männer für ihre Frauen empfanden. Es gab keine Verzweiflung und keine Begierde, nur Resignation.
    »Wird
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher