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Der Nine-Eleven-Junge - Bruton, C: Nine-Eleven-Junge - We can be heroes

Der Nine-Eleven-Junge - Bruton, C: Nine-Eleven-Junge - We can be heroes

Titel: Der Nine-Eleven-Junge - Bruton, C: Nine-Eleven-Junge - We can be heroes
Autoren: Catherine Bruton
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die Arme vor der Brust. Es ist offensichtlich, dass sie nur darauf wartet, dass ich es vermassele.
    Zum Glück kann ich wirklich skateboarden, wenn auch nicht so gut wie Priti. Ich überspringe die Einfahrt und lande ein bisschen unbeholfen auf der anderen Seite.
    »Nicht schlecht«, sagt sie, als ich ihr das Skateboard wiedergebe. »Und ich weiß jetzt auch, warum du hier bist.«
    »Weil ich’s dir vorhin gesagt habe.«
    »Jaja, aber dann hab ich gedacht: Wenn seine Mum so krank ist, warum ist er nicht bei seinem Dad? Ich hab überlegt, dass dein Dad ein Spion sein könnte oder ein Arktisforscher, oder er sitzt im Container einer Reality-TV-Sendung, oder er hat sich gerade scheiden lassen, oder er liegt im Koma oder so was Langweiliges. Aber dann fiel es mir wieder ein.«
    Ich senke den Blick. Ich weiß, was jetzt kommt.
    »Ich habe mich erinnert, was mein Bruder gesagt hat, als er hörte, wie meine Mum meinem Dad erzählte, dass die Mum von dem Mädchen mit dem pinken Fahrrad ihr gesagt hätte, dass der Sohn deiner Oma am 11. September getötet wurde«, sagt sie, ohne Luft zu holen. »Und das muss dein Dad gewesen sein, richtig?«
    Ich nicke.
    Sie hält ganz kurz inne. »Also, was heißt das eigentlich?«
    Ich sehe auf. »Hast du noch nie vom 11. September gehört?«, frage ich.
    »Nie!« Sie schüttelt den Kopf, und ihre Haarbüschel flattern hin und her wie riesige Hundeohren.
    »Aber jeder weiß, was der 11. September war!«, rufe ich und überlege, ob sie lügt. »Wird das an deiner Schule nicht durchgenommen?«
    »Ist das ein ›ethnisch heikles‹ Thema?«, fragt Priti und zupft sich klebrigen Asphalt von der Sohle ihrer Socke.
    »Schon, denke ich«, sage ich.
    »Weil unsere Lehrer diesen Themen normalerweise ausweichen.«
    »Wieso?«
    »Hohes Verhältnis muslimischer Schüler mit Migrationshintergrund zu weißen, noch unverbeamteten Lehrern«, sagt sie rasch, und es klingt, als würde sie aus der Zeitung vorlesen. »Meine Mum glaubt, alle unsere Lehrer sind ›weiß und grün‹ – das heißt, jung und unerfahren, nicht wirklich grün, so wie Außerirdische. Das wäre zwar auch cool, aber dann könnte man sich bei ihnen nicht so viel erlauben. Jedenfalls, Mum glaubt, sie haben alle Angst, etwas zu sagen, das ›ethnisch verfänglich‹ ist. Deshalb halten sie sich von allen heiklen und schwierigen Themen fern. Ich persönlich finde, das ist eine Schande, weil eine fundierte Diskussion eine wertvolle Grundlage in der Ausbildung darstellt, aber was soll man machen?«
    »Ich verstehe«, sage ich.
    »Also sagst du mir jetzt, was so Besonderes an dieser Elfter-September-Geschichte daran ist?«, fragt Priti. Sie zupft noch immer an ihren Socken.
    Ich würde es lieber sein lassen, aber ich atme tief durch und tue es trotzdem. »Diese Männer lenkten Flugzeuge in zwei Hochhäuser in Amerika, und die stürzten ein. Dabei wurdenhaufenweise Menschen getötet.« Schließlich füge ich hinzu: »Darunter auch mein Dad.«
    Ich stelle mir vor, wie ich mit meinem Bleistift Cartoonflugzeuge in Cartoonhochhäuser fliegen lasse. Cartoonflammen und Sprechblasen voller AAAAAAAAAAAHs.
    »Ach so, du meinst Nine-Eleven«, sagt sie und sieht auf. »Das hättest du auch gleich sagen können.«
    Ich starre sie an. »Na, das hab ich doch.«
    »Klar, sicher, jeder hat von Nine-Eleven gehört«, sagt sie. Als wäre ich derjenige, der gesagt hat, er wisse es nicht.
    »Das habe ich ja gesagt«, erwidere ich.
    »Und du glaubst, dein Dad gehörte zu denen, die dabei gestorben sind?«
    Im Kopf zeichne ich Cartoonflammen, die aus den Hochhäusern schießen. Strichmännchen springen hinaus und stürzen in die Tiefe.
    »Das glaube ich nicht nur, es war so.«
    Ich packe das Skateboard und fahre in Richtung der Einfahrt. Diesmal schaffe ich es nicht ganz und verdrehe mir beim Aufprall auf den Asphalt den Knöchel. Das tut weh, und ich möchte aufschreien, aber ich beherrsche mich.
    »Das denkst du dir doch alles nur aus«, höre ich Priti sagen.
    »Du hast doch selbst gesagt, dass dein Bruder es von deiner Mum gehört hat oder so ähnlich«, erwidere ich. Als ich aufstehe, versuche ich mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr mein Knöchel schmerzt.
    »Na, dann muss es sich eben deine Oma ausgedacht haben.«
    »Warum sollte sie das tun?« Ich schubse das Skateboard zu ihr.
    »Weiß ich nicht. Damit sie kostenlos Essen auf Rädern bekommt? Damit sie sich mit ihren Freundinnen beim Bingoüber irgendwas unterhalten kann? Damit sie bei X Factor in die
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