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Der neue Geist von Pao

Der neue Geist von Pao

Titel: Der neue Geist von Pao
Autoren: Jack Vance
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Hier im Pavillon, an einem wundervoll geschnitzten Elfenbeintisch, saß Aiello beim Mittagsmahl, im tiefschwarzen Amtsgewand. Er war ein großer Mann, mit feingeschnittenen Zügen und schmalem Knochenbau. Traditionsgemäß hatte sein Bruder Bustamonte sich rechts von ihm niedergelassen. Er trug den Titel Ayudor. Er war kleiner als der Panarch und hatte im Gegensatz zu dessen seidigem Silberhaar eine borstige schwarze Mähne. Seine dunklen Augen waren wach, und die Muskeln seiner Wangen stark ausgeprägt. Er war weit über das paonesische Maß energiegeladen und hatte bereits mehrere fremde Welten bereist. Die neuen Ideen, die er von dort zurückbrachte, hatten ihm allerdings die Abneigung und das Mißtrauen des Volks eingehandelt.
    Links von Aiello saß sein Sohn, Beran Panasper, der Medaillon. Er war ein schmächtiges Kind, scheu und ruhig, von zerbrechlich scheinender Zartheit, mit langem schwarzem Haar. Nur die großen Augen und die helle Haut hatte er mit seinem Vater gemein.
    Auf der anderen Tischseite, den dreien gegenüber, standen etwa zwanzig Männer: Verwaltungsbeamte, Bittsteller, drei Handelsabgeordnete von Merkantil, und ein habichtgesichtiger Mann in Braun und Grau, der sich mit niemandem unterhielt.
    Mägde in langen schwarz-gold gestreiften Gewändern servierten dem Panarchen. Jede Speise wurde erst von Bustamonte gekostet – eine Sitte, die auf die Zeiten zurückzuführen war, als Attentate noch die Regel und nicht die Ausnahme waren. Eine weitere Erinnerung an diese Tage waren die drei Mamaronen, die hinter Aiello Wache hielten. Sie waren tiefschwarz tätowierte, riesige Neutraloiden. Ihre Bekleidung bestand aus prunkvollen Turbanen in Erdbeerrot und Grün, engen Beinkleidern in den gleichen Farben, und Brustemblemen aus weißer Seide und Silber. Sie hielten Schilde, die sie im Gefahrenfall vor dem Panarchen überkreuzen würden.
    Aiello stocherte unlustig in seinem Essen herum und erklärte schließlich, er sei zur Audienz bereit.
    Die Verwaltungsbeamten brachten ihre Anliegen vor. Der Panarch genehmigte das Ansuchen Vilnis Therobons, der das Ocker und Purpur der öffentlichen Wohlfahrtsbehörde trug, eine Wasserleitung über zehntausend Meilen in das von Dürre bedrohte Südimpland legen zu lassen. Danach löste er das Problem der Übervölkerung in der Ebene von Dronamand, auf das der Minister für das Gesundheitswesen ihn aufmerksam machte, indem er die wöchentliche Zwangsauswanderung von einer Million Personen auf den öden Südkontinent bestimmte, und außerdem die Subaquäation jedes Neugeborenen einer Familie mit bereits zwei Kindern oder mehr. Das waren die klassischen Methoden der Bevölkerungszuwachskontrolle, die ohne böses Blut befolgt werden würden.
    Der junge Beran war fasziniert und beeindruckt von der Macht seines Vaters. Er durfte den mittäglichen Staatsgeschäften nur äußerst selten beiwohnen, denn Aiello mochte keine Kinder und kümmerte sich wenig um die Erziehung seines Sohnes. Seit kurzem zeigte Ayudor Bustamonte Interesse für den Medaillon und unterhielt sich stundenlang mit ihm, bis Berans Kopf brummte und ihm die Augen vor Müdigkeit zufielen. Bustamonte brachte ihm merkwürdige Spiele bei, die ein ungutes Gefühl in dem Jungen zurückließen. Und in letzter Zeit litt er seltsamerweise hin und wieder unter Erinnerungsstörungen.
    Im Augenblick, beispielsweise, hielt er ein komisches Ding in der Hand, von dem er nicht wußte, wo es hergekommen war, aber es schien ihm, als müßte er irgend etwas damit tun. Er blickte seinen Vater an, und plötzlich überfiel ihn glühende Panik. Bustamonte starrte stirnrunzelnd auf ihn. Beran fühlte sich unbehaglich und setzte sich auf seinem Stuhl gerade auf. Er mußte aufpassen und zuhorchen, wie Bustamonte es ihm befohlen hatte. Heimlich warf er einen Blick auf das Ding in seiner Hand. Es war ihm gleichzeitig fremd und doch vertraut. Wie in Erinnerung an einen Traum wußte er, daß er das Ding benutzen mußte – und da stürmten erneut die heißen Wogen der Panik auf ihn ein.
    Plötzlich spürte er, daß er beobachtet wurde. Als er den Kopf hob, sah er, daß die Augen des Fremden in Braun und Grau auf ihm ruhten. Der Mann hatte ein langes, schmales Gesicht, eine sehr hohe Stirn, einen dünnen Schnurrbart, und eine Nase wie der Bug eines Schiffes. Sein Haar war glänzend schwarz, dick und kurz wie Pelz. Seine dunklen Augen saßen tief in den Höhlen, und sein durchdringender Blick machte Beran noch unsicherer. Das Ding in seiner
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